In Strullendorf im Landkreis Bamberg waren die Rettungskräfte im Schlauchboot in der Bahnhofsunterführung unterwegs. © NEWS5 / Ferdinand Merzbach
Der Marktplatz in Kastl war am Dienstag binnen Minuten überflutet. © Vifogra
Feuerwehrleute und ein Bagger arbeiten in Kastl daran, einen Kastenwagen aus den Überflutungen vor einer Brücke zu bergen. © Karmann/dpa
Kastl/Bamberg – Es ist kurz nach sechs am Dienstagabend, als Jürgen Schulz die Hochwasserwarnung der Gemeinde auf sein Handy bekommt. Er rennt in seine Werkstatt, schafft es noch den Bus auf der Hebebühne nach oben zu fahren. Seinen Wohnwagen kann er nicht mehr retten. Schon zehn Minuten später steht nicht nur sein Keller und die Werkstatt, sondern auch der gesamte Marktplatz in Kastl unter Wasser. Vier Fahrzeuge wurden von den Wassermassen mitgerissen in die Lauterach, berichtet Schulz.
Er ist nicht der einzige Anwohner in der kleinen Oberpfälzer Gemeinde, der am Dienstagabend von den Wassermassen überrascht wurde. Karl Neustädter bekam einen Anrufer von seiner Schwägerin, dass ihr Keller und die Garage vollgelaufen waren. Er wollte zur Hilfe eilen. Aber: „Am Marktplatz war wegen der Wassermassen kein Durchkommen mehr“, berichtet der 86-Jährige. Er hat sein gesamtes Leben in Kastl verbracht. „So ein Hochwasser hat es zuletzt in den 40er-Jahren bei uns gegeben“, berichtet er. Mehr als 35 Liter Wasser seien binnen einer Viertelstunde vom Himmel gekommen, berichtet Neustädter.
Eigentlich sind die Kastler hochwassererprobt. Immer wieder mal steigt die Lauterach über das Ufer. Allerdings nicht so schnell und in solcher Heftigkeit wie am Dienstag. „Das war wirkliche eine Sturzflut“, sagt Bürgermeister Stefan Braun. Die Einsatzkräfte seien ab nachmittags wegen des starken Regens zu Kontrollfahrten unterwegs gewesen. „Um 18 Uhr haben wir eine Warnmeldung an die Bürger abgesetzt.“ Einige Anwohner erreichte die Flut schon eine Viertelstunde später.
Rund 200 Rettungsdienste waren bis etwa 1 Uhr nachts damit beschäftigt, Keller leer zu pumpen und Anwohnern zu helfen, die in ihren Häusern eingesperrt waren. In den frühen Morgenstunden rückten sie erneut aus. Das Wasser vom Marktplatz war gestern wieder abgeflossen. Die Feuerwehr zog die weggespülten Fahrzeuge aus dem Bach, pumpte weiter Keller leer und säuberte die Straßen von Schlamm und Geröll. „Es ist ein Glück, dass niemand im Ort verletzt worden ist“, sagt Kommandant Fabian Nemetschek nach dem Einsatz. Auch Bürgermeister Braun war gestern den gesamten Tag in seiner Gemeinde unterwegs. Nachdem feststand, dass Kastl das Hochwasser ohne größere Schäden überstanden hatte, war Braun nicht nur erleichtert, sondern auch ein bisschen stolz. „Der Zusammenhalt war riesengroß“, berichtet er. Die Bürger halfen sich gegenseitig oder brachten den Einsatzkräften eine Stärkung. „Und ich habe etliche Anrufe und Mails von Nachbar-Bürgermeistern und Firmen bekommen, die uns ihre Hilfe angeboten haben“, berichtet er.
Nicht nur Kastl haben die Unwetter am Dienstagabend erwischt. Vor allem im Norden und Osten Bayerns wurden Straßen überflutet. Einige Bäume und Gerüste stürzten um, es gab vereinzelt Erdrutsche und geflutete Unterführungen. Auch im Landkreis Bamberg hatten die Einsatzkräfte viel zu tun. In Strullendorf wurde ein Öltank in einem Keller aufgeschwemmt. Dabei traten 2500 Liter Heizöl aus. In einer Bahnhofsunterführung mussten die Rettungskräfte mit einem Schlauchboot nach Personen suchen, die gerettet werden müssen.
Die Unwetter zogen gestern weiter Richtung Südbayern. Die Meteorologen kündigten starke Regenschauer mit bis zu 20 Litern pro Quadratmeter in der Stunde an. Auch Hagel und Sturmböen mit bis zu 70 km/h sind in den nächsten Tagen noch möglich. Bis mindestens Freitag wird es in Bayern weiterhin starke Schauer und Gewitter geben.
KWO/VIFOGRA/DPA