Der Frust mit den Ferienwohnungen

von Redaktion

Boom besonders am Alpenrand zu spüren – Touristiker warnen vor Problemen

Christian Bär, Hotel- und Gaststättenverband. © Kasper

Walter Rutz von der GaPa Tourismus GmbH. © Thomas Sehr

Garmisch-Partenkirchen ist nicht nur wegen seines Bergpanoramas ein beliebtes Ferienziel. © Getty Images

Garmisch-Partenkirchen – Wer im Juni Lust auf Urlaub dahoam hat, zum Beispiel ein Wochenende am Fuß der Zugspitze verbringen möchte, der sucht vielleicht auf der Plattform Airbnb nach einer Ferienwohnung. Ein Zimmer gibt‘s in Mittenwald für 70 Euro die Nacht, in Garmisch-Partenkirchen ein Mini-Loft mit zwei Betten für 185 Euro oder eine Ferienwohnung mit Terrasse und Bergblick in Grainau für 159 Euro. Keine schlechte Auswahl – doch Walter Rutz, Geschäftsführer der GaPa Tourismus GmbH, gefällt das trotzdem nicht so recht. In seinem Landkreis ist die Zahl der Ferienwohnungen regelrecht explodiert. Und das macht dem Tourismus-Experten Sorgen.

Erst Anfang Mai hat Rutz die Tourismusbilanz präsentiert, eigentlich birgt die gute Zahlen. Die Statistik weist für Garmisch-Partenkirchen für das Vorjahr 1,635 Millionen Übernachtungen aus. Ein Plus von 67 000 gegenüber dem Rekordjahr 2019. Doch das Problem ist, dass die Zahl der Betten in dieser Zeit massiv angestiegen ist. Von 9000 auf zuletzt rund 13 000. Allerdings stehen diese Betten nicht in Hotels – sondern vor allem in Ferienwohnungen. Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt, dass es vor Corona 3400 Betten in Ferienwohnungen gab, jetzt sind es 6300, ein Plus von 86 Prozent. Die Auslastung hingegen hat stark nachgelassen: Die Quote lag 2019 bei 44 Prozent, 2023 bei 26 Prozent. „Wir haben eine große Überkapazität“, sagt Rutz. Dennoch ist der Boom ungebremst. Der Touristiker weiß von Häusern, in denen 30 Ferienwohnungen auf einen Schlag entstanden sind.

Das ist ein Problem für den Wohnungsmarkt: Immobilien werden knapp, darunter leiden auch die Einheimischen. Und für den Tourismus sieht Rutz ebenfalls negative Auswirkungen. „Der Wohnraum fehlt für Mitarbeiter in der Gastronomie“, sagt er. Schon jetzt sei es für die Betriebe schwer, Personal zu finden. Wenn es dann nicht gelinge, dieses unterzubringen, sei das ein Problem für die Wirtschaft in der Region. Rutz weist darauf hin, dass nicht wenige Lokale wegen Personalmangels einen oder mehrere Tage in der Woche schließen müssen.

Er sieht die Ursachen der Entwicklung darin, dass während Corona ausschließlich Urlaub in Ferienwohnungen möglich war. Damals hätten viele Wohnungseigentümer gemerkt, dass sie mit Kurz-Vermietungen gutes Geld verdienen können. Außerdem höre er immer wieder, dass Eigentümer lieber flexibel bleiben als ihre Immobilie langfristig zu vermieten. „Man kann niemandem vorschreiben, was er mit seiner Wohnung machen soll.“

Die Entwicklung entspricht auch dem Trend, der Plattformen wie Airbnb sehr gute Geschäfte machen lässt. Auf Anfrage teilt das internationale Unternehmen mit, dass Urlaub in ländlichen Regionen in diesem Frühjahr besonders gefragt war – in dem Bereich stiegen die Buchungen um 30 Prozent. Ferienwohnungen seien schon deshalb beliebt, weil bei Gruppen- und Familienreisen ausreichend Platz entscheidend sei. Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen spielt bei Airbnb ganz vorne mit: Zu den beliebtesten Destinationen gehören in Süddeutschland Grainau am Fuß der Alpen sowie die Bodenseeregion.

Auch rund um den Starnberger See gibt es vermehrt Airbnb-Angebote und Ferienwohnungen. „Aber bei uns ist es nicht so dramatisch“, sagt Christoph Winkelkötter, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionalagentur gwt Starnberg GmbH. Dadurch sei auch die Auslastung der Betten im Fünfseenland besser. Zuletzt stellte er fest, dass Firmen ganze Häuser mit mehreren Wohnungen für ihre Mitarbeiter mieten. „Auch die stehen dem freien Markt nicht mehr zur Verfügung.“

Die Chiemsee-Alpenland Tourismus GmbH hat keine aussagekräftigen Zahlen. Wie eine Sprecherin mitteilt, liegt das an der Natur der amtlichen Beherbergungsstatistik. Unterschieden wird bei den Betrieben zwischen weniger und mehr als zehn Betten – ob es sich um eine Ferienwohnung handelt, geht aus der Statistik nicht hervor. Betriebe mit weniger als zehn Betten melden nur freiwillig. Und diese Datenlücke ist ein bundesweites Problem, obwohl der Wirtschaftsfaktor gewaltig ist.

Es gibt zwar eine Statistik zu Übernachtungen in Betrieben mit weniger als zehn Betten, da die Meldung aber freiwillig sei, ist das Ergebnis nicht aussagekräftig, teilt eine Sprecherin der staatlichen Bayern Tourismus Marketing GmbH mit. Eine Annäherung gelingt vielleicht über andere Zahlen: 307 Millionen Übernachtungen pro Jahr finden jährlich in privaten und gewerblichen Ferienunterkünften statt, das hat der Ferienhausverband erfasst. Die Übernachtungen in Ferienhäusern und Ferienwohnungen haben damit einen Marktanteil von 44 Prozent an allen touristischen Übernachtungen in Deutschland. Das Bundesland Bayern belegt mit 91 974 Ferienunterkünften den dritten Platz – 73 Prozent werden von privaten Vermietern angeboten. „Ankünfte und Übernachtungen in diesen Betrieben fehlen in der offiziellen Statistik“, erklärt die Marktforscherin Kathrin Klosa.

Dabei wäre es für die Tourismusorte wichtig, genau zu wissen, wie viele Ferienwohnungen zur Verfügung stehen. Darauf weist Christian Bär, Oberbayern-Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands, hin. „Das ist ein heißes Eisen“, sagt der Hotelier aus Murnau. Die Kaufkraft von Gästen in Ferienwohnungen sei eher niedrig, weil sie sich oft selbst versorgen. „Der gastronomische Umsatz im Ort ist weg.“ Dabei hätten die Betriebe schon jetzt zu kämpfen mit Mehrwertsteuererhöhung, gestiegenen Energiepreisen. Außerdem sei es ein Problem, wenn viele Wohnungen im Ort nur zu Spitzenzeiten belegt und im Rest des Jahres die Rolläden geschlossen seien. „Dann haben Sie einen toten Ort. Das ist für einen Tourismusort und für die Hoteliers nicht schön.“ CARINA ZIMNIOKCHRISTIAN FELLNER

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