Das Gesicht der Bahn Klaus-Dieter Josel bei einem Termin zur 2. Stammstrecke. © Martin Hangen
München – Er geht in einer Phase, da die Bahn gefordert ist wie selten: Bauprojekte zuhauf, zuvorderst natürlich eine 2. Stammstrecke, die sich auch sieben Jahre nach dem Spatenstich irgendwie noch im Anfangsstadium befindet; zudem kaum erfüllbare Erwartungen der Politik, wie die, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln. Klaus-Dieter Josel, 23 Jahre Konzernbevollmächtigter der Bahn in Bayern, verabschiedet sich zum 1. Juni in den Ruhestand. Nachfolger des 63-Jährigen wird der Chef der S-Bahn München, Heiko Büttner – bei dem man gespannt sein darf, wie er diese Doppelbelastung aushalten wird.
Meist wurde Josel als Bayerns Bahn-Chef vorgestellt. Der Vorstandschef der DB AG, Richard Lutz, nannte ihn jetzt bei der Verabschiedung „das Gesicht der Bahn in Bayern“. Das ist eine Bezeichnung, die schmeichelt und die sich Josel – warum auch nicht – gerne gefallen ließ, die allerdings der komplizierten Bahn-Hierarchie nicht ganz gerecht wird. Der in der Öffentlichkeit weit weniger präsente Chef der Münchner S-Bahn oder auch der Vorsitzende von DB Regio Bayern, Hansrüdiger Fritz, führen ein Eigenleben und sind Josel nicht unterstellt. Im Wesentlichen ist ein Konzernbevollmächtigter für die Außendarstellung der Bahn wichtig. Immer wenn etwas nicht so lief wie gewünscht, schickte man Josel vor. Schneechaos, Stellwerksschäden, Stammstreckenstillstand – und dazu einige schlimme Unfälle (Bad Aibling, Schäftlarn, Garmisch) sowie einige Beinahe-Katastrophen. Er war oft der Prellbock bei den x-fachen Bürgerdialogen zu Ausbauprojekten, wohnt auch selber an einer der Problemstrecken (München-Mühldorf). Im Landtag stand er, so hat es die Pressestelle ausgerechnet, über 60 Mal Rede und Antwort. Er hat auch neun bayerische Verkehrsminister und sieben Bundesverkehrsminister (drei aus Bayern) er- und überlebt. Da fiel auch schon mal das unfreundliche Wort vom Watschnmann, der sich den geballten Zorn der Politiker abholte. Wie ein Prellbock, der alles abfangen muss. Es spricht für Josel, dass er das meist lächelnd wegsteckte, sich im Namen der Bahn entschuldigte und weitermachte. Nehmerqualitäten nennt man das wohl.
Josel war nach einem Studium der Volkswirtschaft und Tätigkeit als wissenschaftlicher Referent in der Abteilung Verkehr des Ifo-Instituts 1990 zur Bahn – damals noch Bundesbahn – gewechselt, wurde dann Chef von DB Regio Bayern. 2003 wurde er Konzernbevollmächtigter der Bahn in Bayern, also der Statthalter der Berliner DB-Zentrale, die damals ein gewisser Hartmut Mehdorn leitete. Mehdorn wollte die Bahn auf politischen Wunsch Richtung Privatisierung trimmen, am besten als börsennotierten Konzern. Dazu kam es nicht, aber viele derjenigen Bahnleute, die unter Mehdorn aufstiegen, sind heute noch an zentralen Schaltstellen.
Den Transrapid hat er mit vertreten – das Aus dann auch
Auch Josel hat die vielen Wendungen und Strategiewechsel der Bahn stets so gut es eben ging verkauft. Mal war er Transrapid-Befürworter, dann musste er das Aus des Projekts mit vertreten. 2016 trat die DB auf Betreiben Josels einem Bündnis zum Bau der 3. Startbahn bei – dass das Projekt später auf Eis gelegt wurde, hat ihn allerdings dann auch nicht gerührt. Die Kostenexplosion bei der 2. Stammstrecke hat er mit vertreten – im Untersuchungsausschuss allerdings musste dann allerdings die Konzernspitze selber in den Zeugenstand.
Auf der Habenseite von Josel steht: Es ist seit 2003 viel passiert: die Eröffnung der Schnellfahrstrecke München-Berlin mit dem wichtigen Teilstück bis Ingolstadt-Nürnberg, wo die ICE 300 km/h rasen dürfen; die Elektrifizierung von München-Lindau; Modernisierungsschübe bei Bahnhöfen und Zügen, unter anderem für die S-Bahn-Netze München und Nürnberg. So viele Fahrgäste wie nie. Viele gewonnene Ausschreibungen (auch einige verlorene wie etwa – sehr bitter – die Strecke München-Rosenheim-Salzburg). Aber die Gesamtbilanz zeigt: Es gab auch richtige Weichenstellungen für die Bahn in Bayern, die nun einen der Weichensteller verliert. DIRK WALTER