NACHGEFRAGT

„Im Feuerwehrdienst kann immer was passieren“

von Redaktion

Johann Eitzenberger, Chef des Feuerwehrverbands © Bartl

Johann Eitzenberger ist Bayerns oberster Feuerwehrmann. Der Landesvorsitzende des Feuerwehrverbandes ist fast rund um die Uhr in den Hochwassergebieten unterwegs. Welche Lehren zieht er aus der Katastrophe?

Bayern steckt mitten in der Flutkatastrophe. Können Sie schon eine Bilanz ziehen?

Es ist noch zu früh, um das en Detail zu analysieren. Die Zusammenarbeit in einer solchen Lage läuft in Bayern ja über ein komplexes Netzwerk, mit all den Organisationen und ihrer hierarchischen Struktur. Das hat funktioniert, sodass wir nach der ersten Gefahrenmeldung sehr schnell gezielt helfen konnten.

In Pfaffenhofen starb ein Feuerwehrmann. Sind Ehrenamtliche für den Einsatz im Wasser ausgebildet?

Im Feuerwehrdienst kann immer etwas passieren, auch bei tagtäglichen Einsätzen, auch bei bester Ausbildung. Freilich ist die Wasserrettung originär dem Rettungsdienst zuzuordnen. Aber bei so einem Ereignis sind ja alle überall im Einsatz. Wenn es um die Rettung von Menschenleben geht, geben alle alles. Der Tod des 42-Jährigen ist sehr tragisch und sehr belastend. Die Kameraden werden psychologisch betreut, es ist auch eine große Spendenaktion angelaufen. Bis zum 17. Juni sind alle Feuerwehrfahrzeuge mit Trauerflor unterwegs.

Der Einsatz im Hochwassergebiet ist auch ohne Unglück sehr belastend.

Klar, emotional ist es sehr schwierig, wenn man den Kampf gegen die Fluten verliert. Aber es ist ein großes Glück, dass wir 300 000 ehrenamtliche Mitglieder haben. Aktuell sind täglich zwischen 15 000 und 25 000 Feuerwehrleute im Einsatz.

Wie können Sie die Feuerwehrler vor Überlastung schützen?

In der Frühphase eines Einsatzes gibt jeder alles, da gibt es keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht. In der jetzigen Phase kann man strukturieren und den Einsatzkräften die nötigen Pausen gewähren, damit sie wieder zu Kräften kommen.

Es kommt immer häufiger zu solchen Katastrophen. Was bedeutet das für die Feuerwehren?

Ich bin seit 40 Jahren aktiver Feuerwehrmann in meinem Heimatlandkreis Garmisch-Partenkirchen. Es hat sich schon viel verbessert in den letzten Jahren, zum Beispiel beim Flussausbau oder bei der Ausstattung der Feuerwehren. Aber wir haben ja immer auch das Tagesgeschäft – in Bayern sind es über 250 000 Einsätze im Jahr. Das ist Rekord, Tendenz steigend. Und dann die wetterbedingten Einsätze: Schnee im Winter, Waldbrände im Sommer, Hochwasser. Wir sind immer stärker gefordert.

Bei jeder Flut müssen zigtausende Sandsäcke befüllt werden. Mancherorts sieht man Abfüllanlagen, mit denen das schnell geht, anderswo müssen die Helfer umständlich per Hand befüllen. Muss man da nachrüsten?

Der Sandsack ist nach wie vor das Mittel der Wahl. Es gibt in jedem Landkreis ausreichend Reserven – aber auch andere Schutzvorrichtungen wie mobile Deiche. Damit arbeiten vor allem Städte wie Passau oder Regensburg. Aber wenn zum Beispiel ein Gebirgsbach schnell anschwillt, braucht man mit Sandsäcken gar nicht erst anfangen, da ist man machtlos. Und man kann Sandsäcke ja auch nicht beliebig hoch stapeln.

Feuerwehrleute werden bei Einsätzen oft angepöbelt, wenn sie zum Beispiel Straßen sperren. Stärkt die Katastrophe den gesellschaftlichen Zusammenhalt?

Hoffentlich wird das Verständnis für die Feuerwehren gestärkt. Ich denke, dass sich der Einsatz positiv bemerkbar macht. Ich persönlich danke allen Freiwilligen, die unermüdlich dafür sorgen, dass das Hochwasser nicht noch größere Schäden anrichtet. Ich hoffe sehr, dass alle gesund aus den Einsätzen zurückkommen.