Ärger um doppelten Kapellenweg

von Redaktion

Sie kämpfen für eine Umbenennung: Matthias Pickert (links) und Wolfgang Schnetzer wohnen beide im Kapellenweg. Aber in unterschiedlichen Gemeinden. Trotzdem haben sie dieselbe Postleitzahl. © Andrea Jaksch

Herrsching – Seit Wolfgang Schnetzer im Kapellenweg in Breitbrunn lebt, wünscht er sich eine andere Adresse. Denn es passiert immer wieder, dass er nach Hause kommt und ihn fremde Pakete vor der Tür erwarten. Manchmal ist es Post, manchmal eine Pizza, die er nicht bestellt hatte. „Einmal war mein ganzer Hof durch fremdes Baumaterial blockiert“, erzählt er. Gleichzeitig kommen Bestellungen oft nicht bei ihm an. Das ist manchmal lästig, manchmal ärgerlich, wenn Mahngebühren für Rechnungen anfallen. Und hin und wieder ist es sehr unangenehm – zum Beispiel, weil er sich nicht für ein Geschenk bedankt hatte, das er leider nie erhalten hat.

Der Grund für all den Ärger ist seine Adresse. Denn den Kapellenweg gibt es nicht nur in Breitbrunn, sondern auch in Herrsching. Die beiden Gemeinden im Kreis Starnberg haben dieselbe Postleitzahl. Und zwei identische Straßennamen. Das ist seit der Wiedervereinigung so. Nach 1990 wurden die Postzustellungsbezirke erweitert und häufig mehrere Ortschaften unter derselben Postleitzahl zusammengefasst.

Auch Matthias Pickert lebt im Kapellenweg, aber in Herrsching. Er und Wolfgang Schnetzer kennen sich längst. Denn beide kämpfen seit vielen Jahren für die Umbenennung von einer der beiden Straßen. Bisher erfolglos. „Wir bekommen keine Mehrheit dafür zusammen“, sagt Schnetzer. Einige Anwohner hätten kapituliert, sagt er. Und viel würden den Aufwand durch die Adressänderung fürchten. Das kann auch Matthias Pickert nicht verstehen. Er ist pensionierter Arzt und hat eine Adressänderung mal für seine Praxis gebraucht. „So was ist doch heutzutage kein Problem mehr“, sagt er.

Pickert ärgert die Situation nicht nur wegen falsch zugestellter Pakete. Er hat bereits dreimal erlebt, dass es auch den Rettungsdienst vor Probleme gestellt hat, berichtet er. Einmal sei ein Mann vor seinem Haus zusammengebrochen und der Notarzt fuhr erst nach Breitbrunn, einmal traf es ihn selbst, als er sich den Arm gebrochen hatte. „Meine Frau sagte der Leitstelle extra, der Rettungswagen müsse in den Kapellenweg nach Herrsching kommen.“ Trotzdem musste Pickert über eine halbe Stunde warten, weil die Sanitäter erst nach Breitbrunn fuhren. Und als seine Schwiegermutter einmal ärztliche Hilfe brauchte, passierte dasselbe, sagt er. „Ich habe seitdem kein gutes Gefühl mehr.“ Zumal ihm im Herbst auch noch ein Bekannter berichtete, dass er im Rettungswagen erst über Umwege in die Kreisklinik nach Herrsching gebracht worden sei. Denn die ist in der Seestraße – und auch diesen Straßennamen gibt es in Breitbrunn. Dort fuhren die Sanitäter zuerst hin.

„Wir fragen die Adresse bei jedem Einsatz genau ab“, betont Florian Christner von der Leitstelle Fürstenfeldbruck, die für dieses Gebiet zuständig ist. Besonders bei Orten mit sogenannten Zwillingsstraßen. Dass es die in Herrsching und Breitbrunn gibt, sei der Leitstelle bekannt. „Wir haben einen Hinweis für die Disponenten hinterlegt“, erklärt er. Auch in anderen Landkreisen gebe es doppelte Adressen. Verwechslungen seien aber sehr selten, weil die Disponenten gezielt nachfragen würden, wenn sie im System sehen, dass es mehrere gleichnamige Straßen gibt.

Auch die Gemeinde Herrsching hatte sich bereits in der Leitstelle erkundigt, ob die zwei Zwillingsstraßen ein Problem seien. Seit fünf Jahren werde über eine mögliche Umbenennung diskutiert, berichtet Bürgermeister Christian Schiller. „Wir haben mehrmals alle betroffenen Anlieger angeschrieben und dazu befragt.“ Auch Polizei und Post seien angeschrieben worden, meldeten jedoch keine Probleme. „Wir hätten grundsätzlich kein Problem, die Straßen umzubenennen“, betont Schiller. Beim Friedhofsweg sei das bereits passiert, weil dort die Anwohner dafür waren. Im Falle von Kapellenweg und Seestraße hätten sich aber rund 90 Prozent der Anwohner gegen die Umbenennung ausgesprochen.

Wolfgang Schnetzer aber will noch nicht aufgeben, er hat sich auch ans Innenministerium gewandt. Das begrüßt die doppelten Adressen zwar nicht, erklärt aber, dass die Straßenbenennung Aufgabe der Kommunen sei. Außerdem betont ein Sprecher, Einsatzleitsysteme könnten gleichnamige Straßen grundsätzlich unterscheiden. Dennoch könne es in Stresssituationen zu Fehlern kommen.

Das Zwillingsstraßen-Problem haben viele Kommunen in Bayern, berichtet ein Sprecher des Gemeindetags. Jeder Ort müsse für sich abwägen, wie groß die Verwechslungsgefahr ist. Es sei eine Ermessensabwägung. „Häufig fürchten die Anwohner aber Kosten und Aufwand.“ Die Gemeinden Sulzemoos und Einsbach im Kreis Dachau haben sich vergangenes Jahr sogar für eine Umbenennung entschieden, weil die Straßennamen Schulweg und Schulstraße zu ähnlich klangen. Einen pauschalen Rat kann der Gemeindetag nicht geben, betont der Sprecher. Nur eines empfiehlt er Kommunen, die sich für Straßenbenennungen Tipps holen wollen: Nie nach lebenden Personen benennen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass in solchen Fällen immer wieder mal Umbenennungen nötig werden.

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