Das ist der Backenzahn in siebenfacher Vergrößerung: Hobby-Archäologe Manfred Schmid und die Professorin Madelaine Böhme zeigen eine Replik. © Hirschberg
Pforzen/Tübingen – Im Molassegestein der Tongrube der Hammerschmiede im Allgäu lassen sich unzählige Überreste früherer Wirbeltiere finden – von der Spitzmaus bis zum Urzeit-elefanten. Überregional bekannt ist die Tongrube seit dem Fund des Primaten „Udo“ (offiziell „Danuvius guggenmosi“). Der zeigte als erster Menschenaffe bereits vor rund 12 Millionen Jahren Anpassungen an den aufrechten Gang und hat die Grabungsstätte zwischen Pforzen und Kaufbeuren 2019 weltweit bekannt gemacht.
Nun gibt es erneut eine Sensation, und wieder ist sie in der Hammerschmiede entdeckt worden. Dieses Mal wurden die Fossilien des Menschenaffen „Buronius manfredschmidi“ entdeckt – so der wissenschaftliche Name. Gefunden wurden zwei Zähne und eine Kniescheibe. „Die Ablagerungsbedingungen lassen den Schluss zu, dass beide Menschenaffen zur gleichen Zeit dasselbe Ökosystem besiedelten“, erklärt Grabungsleiter Thomas Lechner.
Und das sei über den eigentlichen Fund hinaus die zweite Sensation. „Das ist der erste Nachweis weltweit, dass zwei fossile Menschenaffen miteinander im selben Habitat lebten“, erklärt Madelaine Böhme. Die Professorin der Uni Tübingen leitete das internationale Forschungsteam.
Der Originalzahn des „Buronius“ ist lediglich 7,7 Millimeter groß, viel kleiner als der seines Zeitgenossen und auf der Hand der Professorin verschwindet er fast. Dennoch gebe er gemeinsam mit der Kniescheibe Aufschluss über die Größe und die Nahrung der neuen, 16. fossilen Primatenart. Demnach war „Buronius“ rund zehn Kilogramm schwer und um einiges leichter als „Danuvius“ (15 bis 46 Kilogramm). Und: „Buronius ist der kleinste bekannte große Menschenaffe“, hebt die Professorin zur nächsten Sensation an. „Er lebte vermutlich auf Bäumen und ernährte sich rein vegetarisch.“ Udo hingegen sei ein Allesfresser gewesen. Ob sich beide Menschenaffen-Arten sympathisch waren, können die Forscher noch nicht endgültig sagen. Bisher gehen sie allerdings von einem harmonischen Zusammenleben aus. Es sei wahrscheinlich, dass der kleine blattfressende „Buronius“ sich länger in den Baumkronen aufhielt“, sagt Böhme. „Der mehr als doppelt so große, zur Zweibeinigkeit befähigte Danuvius durchstreifte hingegen vermutlich ein größeres Gebiet und fand vielfältige Nahrung.“
Benannt ist die neuentdeckte Art nach dem pensionierten Allgäuer Zahnarzt Manfred Schmid. Der Hobbyarchäologe forscht seit Jahrzehnten in der Tongrube Hammerschmiede. „Buronius“, der zweite Teil des Namens, leitet sich vom mittelalterlichen Namen der Stadt Kaufbeuren ab.