Die Schafskälte schlägt zu

von Redaktion

Experte erklärt Wetterphänomen – Juni trotzdem zu mild

München – Nach den vergangenen schwülwarmen Tagen werden viele Bayern ihre dickere Jacke nun doch wieder aus dem Schrank ziehen. Gerade haben noch Wärme-Gewitter am Himmel gegrollt und sind samt Sturm und Hagel über den Freistaat gezogen. Jetzt fallen die Temperaturen, im Norden Bayerns ist an den Mittelgebirgen sogar Bodenfrost möglich. Die Schafskälte meldet sich zurück. Und die hat mit Aberglauben gar nichts zu tun.

Um den 11. Juni ist es so gut wie jedes Jahr so weit: Ein Tief über Nordosteuropa steht einem Hoch über dem Ostatlantik gegenüber. „Deshalb herrscht über Deutschland gerade eine nord-westliche Strömung“, sagt Guido Wolz, Diplom-Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst in München. Und die ist frostig. „Die Kaltfront mit polarer Meeresluft legt sich bei der sogenannten Schafskälte typischerweise an den Alpen an.“ Der DWD warnt in den nächsten Tagen vor Schneefall in höheren Lagen. Auf der Zugspitze und über 2000 Meter wird Neuschnee erwartet. „Es könnte aber auch in tiefen Lagen schneien“, sagt Wolz.

Meteorologen bezeichnen die Schafskälte als einen „Witterungsregelfall“ und eine „meteorologische Singularität“. Den markanten Namen haben dem Wetter-Phänomen mit den auffälligen Temperaturschwankungen einst wohl Bauern verpasst. Im Mai war es irgendwann so warm, dass sie die Schafe von ihrer dicken Winterwolle befreien mussten. Dann, um den Lostag 11. Juni, mussten die frisch geschorenen Tiere meist noch mal frieren. Bei Temperaturen um bis zu zehn Grad – und nachts teils noch kälter – haben sie ihr wärmendes Fell vermisst. Oft hat die Kälte Tieren das Leben gekostet, sodass Mutterschafe und Jungtiere ohne schützenden Stall heute meist erst nach der Schafskälte geschoren werden.

Statistisch gesehen frieren Mensch und Tier in etwa neun von zehn Sommern im Zeitraum zwischen 10. und 20. Juni für zwei, drei Tage. Laut Aufzeichnungen aus der Zeit zwischen 1881 und 1947 trat die Schafskälte mit einer Wahrscheinlichkeit von 89 Prozent jedes Jahr ein. Und auch in den vergangenen 25 Jahren sind die Temperaturen Mitte Juni – bis auf das Ausnahmejahr 2003 – jedes Jahr merklich gefallen.

Verhältnismäßig fällt der Temperatursturz heuer moderat aus. Die Diskrepanz zwischen Wärme und Kälte könnte heftiger sein, „die diesjährige Schafskälte ist eine gemäßigte“, sagt Wolz. Der gestrige Dienstag soll in Oberbayern der Tag mit den niedrigsten Temperaturen gewesen sein. „Bis Freitag liegen die Temperaturen noch unter 20 Grad“, sagt Wolz. „Heute erwarten wir 14 bis 18 Grad und Schauer, bis Freitag 16 bis 19 Grad. Die Sonne zeigt sich nur vereinzelt.“

Sommerliche Temperaturen bis 23 Grad bringt das Wochenende. „Eine stabile Hochdrucklage ist aber erst mal nicht in Sicht, einen Regenschirm sollte man immer einstecken haben“, rät Wolz. Je wärmer es wird, desto mehr Energie liegt wieder in der Luft, die sich durch Gewitter entladen kann. Solche „Warmlufteinschlüsse“ zeigt der DWD-Trend in den kommenden zehn Tagen.

Übrigens: Trotz der außergewöhnlichen Wetterlage und ihrer hohen Niederschlagsmengen ist der Juni laut Wolz aktuell im Jahresvergleich noch zu mild. „Laut unserer Klimareferenzperiode von 1961 bis 1990 ist der Juni in Oberbayern bisher auch ohne eine vorausgegangene Hitzeperiode eineinhalb bis zweieinhalb Grad zu warm.“ CORNELIA SCHRAMM

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