„Wir sind überrollt worden“

von Redaktion

Nach der Flut kommt der Müll: In den Hochwassergebieten kämpfen betroffene Kommunen mit den Abfallbergen

Waschmaschinen und Trockner stapeln sich in Baar-Ebenhausen. Der Ort im Kreis Pfaffenhofen war stark betroffen. © Privat

Vor einem riesigen Müllberg auf dem Volksfestplatz steht Martin Vaas, Bürgermeister von Allershausen im Landkreis Freising. © Nico Bauer

München – Am Samstag ging dann einfach nichts mehr. Vor den Toren der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Ingolstadt standen 80 Fahrzeuge, alle voll beladen mit kaputten Möbeln, Teppichen, Büchern, Klamotten. Schutt, den die Menschen aus ihren Kellern und Häusern geräumt haben, nachdem das Hochwasser alles zerstört hatte. „Das war zu viel“, sagt MVA-Geschäftsleiter Robert Meißner. Angemeldet waren nur 40 Fahrzeuge, die Hälfte. Schließlich musste die MVA die Aufnahme stoppen.

Es herrscht Ausnahmezustand auf Wertstoffhöfen und bei Entsorgungsbetrieben in der von der Flut besonders betroffenen Region. Meißner, seit über 20 Jahren bei der MVA, hat so was noch nie erlebt. „Wir sind überrollt worden.“ Er rechnet mit vorsichtig geschätzten 10 000 Tonnen Müll, die in seinem Betrieb verbrannt werden müssen. Inzwischen sei man gut organisiert, es gibt Kontingente mit Terminen für die Anlieferung, zum Beispiel für den Landkreis Pfaffenhofen, wo in Reichertshofen und Baar-Ebenhausen besonders viele Gebäude unter Wasser standen. Die Werkleiterin des dortigen Abfallwirtschaftsbetriebs, Elke Müller, sagt, dass der Landkreis Fahrzeuge herumschickt, die den Schutt direkt vor der Haustür aufladen und abtransportieren. „Viele haben ja kein Auto mehr.“ Zudem liefern Bürger gewaltige Mengen Müll auf den Wertstoffhöfen, die extra lange geöffnet haben, ab – leider auch Baustellenmüll. „Manche stehen mit einem ganzen Kipper voller Estrich da, den sie rausreißen mussten“, sagt Müller. Doch der muss privat entsorgt werden. Lediglich kleine Mengen an Bauschutt wie Fliesen, Keramik, Steine und Beton sind erlaubt, maximal 100 Liter, das ist ungefähr eine Schubkarrenladung. Der Rest wird abgewiesen – zusätzliche Arbeit für die Mitarbeiter auf den Wertstoffhöfen.

In Allershausen im Kreis Freising muss sogar die Polizei für Ordnung sorgen. Immer wieder treiben sich Menschen an den eigens eingerichteten Sammelstellen, zum Beispiel auf dem Volksfestplatz, herum und packen entsorgte Elektrogeräte ein. Aber: „Müll durchzukramen und mitzunehmen ist nicht legal“, sagt Andreas Wegmaier, Leiter der Polizeiinspektion Freising. Jetzt fährt regelmäßig die Streife vorbei. Bürgermeister Martin Vaas berichtet zudem, dass immer wieder Bürger von auswärts, die gar nicht vom Hochwasser betroffen waren, die Ausnahmesituation ausnutzen und ihren Sperrmüll schnell und kostenlos loswerden wollen. Einen Vorteil wittern laut Robert Meißner von der Müllverbrennungsanlage Ingolstadt auch zahlreiche Entsorgungsbetriebe: „Wir haben unglaublich viele Trittbrettfahrer. Für die ist das ein höchstlukratives Geschäft.“ Die Firmen verlangen Geld für den Abtransport des Mülls und laden ihn dann an den Sammelstellen ab. Den Schutt dort entsorgen die Kommunen auf ihre Kosten bei den Verbrennungsanlagen.

Meißner sieht noch ein anderes, großes Problem. In dem Flut-Schutt, den die Menschen aus ihren Kellern holen, befinden sich oft auch gefährliche Gegenstände wie Gasflaschen. Oder: „Erst gestern habe ich einen 200-Bar-Sauerstoffdruckbehälter gesehen“, sagt er. Solche Dinge müssen unbedingt aussortiert werden. „Wenn so etwas in den Müllschredder gerät, gibt es mindestens eine Verpuffung oder sogar eine Explosion.“ Er ergänzt: „Gott sei Dank ist bislang nichts passiert.“

Falls die MVA Ingolstadt, wo der Müll aus den Kreisen Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen und Kelheim verbrannt wird, die Müllmengen nicht mehr bewältigen kann, könnten andere Betriebe aushelfen. In der MVA Geiselbullach im Kreis Fürstenfeldbruck, wo auch Müll aus dem Kreis Dachau verbrannt wird, habe man noch Kapazitäten, sagt Chef Thomas König. Bislang gebe es aber keine offizielle Anfrage, ob man aushelfen könne.

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