„Das Waldfest ist unsere Bühne“

von Redaktion

Trachtler Toni Huber über den großen Auftritt der Holzhackerbuam im Tegernseer Tal

Mit Axt und Säge: Wenn die „Holzhackerbuam“ hacken, fliegen die Splitter durch die Luft. © Privat

Auf dem Waldfest präsentieren die Trachtler ihr Können. Vor allem die Jugend fiebert auf den Auftritt hin. © PLETTENBERG

Vorfreude auf das Waldfest: Toni Huber ist Vorstand des Trachtenvereins d‘Wallberger in Rottach-Egern. Die Wiegesäge ist ein wichtiges Requisit für die Einlage, die die Plattler jedes Jahr auf der Bühne vorführen. © Stefan Schweihofer

Rottach-Egern – Toni Huber steht vor der Hütte des Trachtenvereins d‘Wallberger. Noch ist der große Platz davor leer, aber in ein paar Wochen wird hier wieder Waldfest gefeiert. Der Trachtlervorstand muss grinsen, wenn er vom alljährlichen Höhepunkt auf dem Waldfest erzählt. „Das ist was Besonderes“, sagt der 37-Jährige. Auf welchem Waldfest wird schon ein Mini-Theaterstück aufgeführt? Zehn Minuten und 40 Sekunden dauert das Spektakel auf der Tanzbühne. Wenn es dämmert, springen hunderte kleiner Lichter an, die leuchten werden, bis die letzten Waldfestbesucher an diesem Abend nach Hause gehen.

Mini-Theaterstück ist der Höhepunkt auf dem Waldfest

Dann wird es still. Die Musik verstummt, alles versammelt sich um die Bühne. Es ist ein Moment der Stille, den es sonst auf keinem Waldfest hier im Tegernseer Tal gibt, wo doch tausende Menschen ausgelassen feiern. Jedes Wochenende. Insgesamt zwölf Feste finden in den fünf Talgemeinden statt.

Wenn die Musi dann die ersten Marschtakte spielt, betreten die Holzhackerburschen die Bühne. Mit Beilen, Sägen und Schleifstein. Den Anfang können alle Einheimischen mitsingen: „Mir san die lustigen Holzhackerbuam“, flüstern selbst die kleinsten Festbesucher, wenn sie ehrfürchtig die verkleideten Trachtler beobachten. So lustig ist die Geschichte des Stückes aber nicht. „Die Zeiten sind schlecht, die Holzknechte arm. Sie schlagen die Bäume illegal, das ist eigentlich eine saugefährliche Wilderei“, erklärt Huber. Auf der Bühne liegen Baumstämme. Vier Burschen hacken im Takt, vier ziehen ihre Wiegesägen vor, zurück, vor, zurück. Ja, wenn der Amtsjäger wüsste, was die da treiben…

Zum Stück gehört auch ein sogenannter Arschplattler: Die Knechte rankeln, bis der Sieger den Unterlegenen mit dem Kopf nach unten auf den Schoß nimmt und ihm auf den Hintern klopft. Ein uriges Schauspiel, das all die Urlauber mit offenen Mündern verfolgen. Warum und seit wann es die Wallberger Trachtler aufführen, weiß keiner. Der Marsch „Tiroler Holzhacker Buab’n“ wurde 1899 von Joseph Franz Wagner komponiert.

„Die Aufführung könnte bei uns ihre Ursprünge in den 1940ern oder 50ern haben“, meint Huber vom Fischerweber-Hof. Die Chronik der Wallbergler zumindest berichtet am 8. August 1954 zum ersten Mal von der Einlage: „Auf der Hauptbühne wurden Heimattänze aufgeführt: Bandltanz, Steyrer und der Holzhacker. Die Darbietungen wurden beifällig aufgenommen von den Kurgästen.“

Ein interessiertes Publikum hatten die Bewohner des Tegernseer Tals zu dem Zeitpunkt ja schon länger. Die Wittelsbacher kamen einst zur Sommerfrische und um 1900 florierte der Fremdenverkehr schon. Dass die Touristen ihre Bräuche feiern, haben die Einheimischen damals schnell dagneißt, wie es auf Bairisch so schön heißt. Bis heute lieben sie die Traditionen, die hier alle noch mit Stolz leben. Das lässt freilich auch die Kassen klingeln.

Trotzdem: Nur wegen der Touristen veranstaltet hier im Tal kein Verein sein Festl. „Das Herz hängt dran“, sagt Huber. „Die Waldfeste sind unsere Bühne.“ 18 aktive Paare und 45 Kinder und Jugendliche platteln und drehen allein bei den Wallberglern. Wenn sie heuer am 11. August wieder zu ihrem sonntäglichen Waldfest einladen, kommen auch die Trachtenvereine aus den anderen Gemeinden. „Das ist ein sehr schönes Miteinander“, sagt Huber. „Wir alle helfen uns beim Aufziehen auf der Bühne gegenseitig aus.“

Wenn heuer am Fuße des Wallbergs wieder bis zu 5000 Besucher mit Brotzeit, Bier und Hendl versorgt werden wollen, müssen 120 Ehrenamtliche schwitzen. Vielleicht richtet der ein oder andere seinen Blick dann auf eben jenes Gipfelkreuz, das die Trachtler-Ahnen aufgestellt haben. „Mit dem Kreuz auf dem Wallberg hat alles angefangen“, sagt Huber und zeigt darauf. „1058 Mark Spenden hat unser Gründungsvater damals gesammelt, um dieses Kreuz 1892 aufzustellen. Dort durften die Trachtler nicht feiern, um das Jagdwild des Herzogs Karl Theodor nicht zu verscheuchen. Also haben sie das Fest zu Ehren des Kreuzes nach hier unten verlegt. Das ist der Ursprung unseres Waldfestes.“

Die Holzhacker arbeiten mit Axt und Säge auf der Bühne

Dass Menschen in Bussen aus ganz Bayern anreisen, um auf so einem Fest zu feiern, hätten sich die Trachtler einst wohl nie träumen lassen. Auch nicht, worum sich die heutige Generation kümmern muss: Fluchtwege, Lebensmittelsicherheit, Brandschutz und Sicherheitskonzepte. „Und trotzdem sind wir alle jedes Jahr hungrig aufs Waldfest“, sagt Huber. Die Festl stehen im Tal doch bei allen fest im Terminkalender, genau wie Weihnachten. Die ganze Familie feiert. Toni Hubers Buam, zwei und vier Jahre alt, dürfen heuer wieder mit – und vielleicht sogar zum ersten Mal den abendlichen Auftritt der Holzhackerbuam erleben.

„Mindestens vier Wochen vorher fangen wir mit den Proben an“, sagt Huber und lacht. „Es ist ja nicht nur viel Taktgefühl gefragt, sondern auch scharfes Gerät im Einsatz.“ Verletzte gab es schon. Nix Schlimmes, kleine Fleischwunden. Schließlich geht es noch mal hoch her, wenn der Jäger die Holzknechte ertappt. Als sie schlafen, lauert er ihnen auf. Ein Holzhacker bemerkt ihn und lädt seine Büchse – genau wie der Jäger. Ein Schuss fällt. Showdown in Enterrottach. Zum Schluss gibt’s noch einen Plattler. Die Waldfest-Besucher toben. CORNELIA SCHRAMM

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