„Ich habe alles gut überstanden“

von Redaktion

Zehn Jahre nach seiner Rettung: Höhlenforscher Westhauser geht wieder ins Riesending

Überlebt: Johann Westhauser kurz nach der Rettung im Unfall-Krankenhaus Murnau. © AFP/BGU-MURNAU

Die Rettung: Am 19. Juni 2014 wird Johann Westhauser auf einer Trage ans Tageslicht transportiert. 700 Helfer waren an der Rettung beteiligt. Der Forscher kam mit einem Hubschrauber in eine Klinik. © Nicolas Armer/dpa

Bischofswiesen – Es war nicht klar, ob er überleben würde. Vor zehn Jahren wurde der erfahrene Höhlenforscher Johann Westhauser bei der Erkundung der Riesending-Schachthöhle im Berchtesgadener Land von einem Lehmbrocken getroffen und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Ein internationales Helferteam mit über 700 Beteiligten war tagelang im Einsatz. Elf Tage nach dem Unfall wurde der Wissenschaftler dann aus der extrem schwer zugänglichen Höhle gerettet – am 19. Juni 2014. Für Mediziner war das ein kleines Wunder.

Nach seiner Genesung ist Westhauser wieder in die Höhle geklettert. Mehr als ein halbes Dutzend Mal war er seither in der Tiefe und hat mit den Kameraden von der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt die Forschungen fortgesetzt. Und: „Wir haben die Unfallstelle noch aufgeräumt.“ Vier Jahre später fand er dort persönliche Dinge, Kleidung und Ausrüstung. Westhauser gehörte zu den Ersten, die nach der Entdeckung 1996 ab etwa 2002 die Riesending-Schachthöhle erkundeten.

Er habe vor ihr „den gleichen Respekt wie vorher“, sagt er heute. „Ich habe alles gut überstanden. Ich habe keine schlechte Erinnerung.“ Sein Gehirn habe den Unfall „nicht gespeichert“, nur kleine Fragmente an Erinnerungen seien vorhanden. In den letzten Passagen vor dem Ausstieg hatten die Ärzte Angst vor dem Bergungstod. Dieser trifft Verletzte manchmal nach langer Zeit in kalter Umgebung. Er selbst habe aber gedacht: „Jetzt ist alles gut, und ich muss jetzt nichts mehr machen.“

An der spektakulären Rettung waren mehr als 700 Helfer aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und Kroatien beteiligt, 200 von ihnen auch in der Höhle. Tonnenweise Material wurde zum Höhleneingang geflogen. Der Weg zum Unfallort wurde mit Fixseilen gesichert, Metallstifte wurden als Tritte in den glitschigen Fels gebohrt. Die Helfer leiteten Gischt aus Wasserfällen mit Planen ab und räumten loses Geröll weg. Trotzdem, die Gefahr von Steinschlag war allgegenwärtig.

Als Westhauser auf einer Trage durch die Gänge und Schächte geschoben wurde, schützte ein weißer Helm mit Visier seinen Kopf. Was es für ein Helm war, könne er nicht sagen, erzählt der Forscher. Aber: „Er war bequem.“ Am 19. Juni, elf Tage nach dem Unfall, hievten die Helfer ihn über den letzten senkrechten Schacht ans Tageslicht.

Seither ist die Höhle mit einem massiven Stahlgitter verschlossen, um Ungeübte am Einstieg zu hindern. Wer hinein will, muss das bei der Gemeinde Bischofswiesen beantragen. Fünf bis sechs Tage dauern die Exkursionen der Cannstatter Forscher meist. Inzwischen nehmen sie das Funksystem Cave-Link, eine Art Höhlentelefon, mit. „Wir haben einiges dazugelernt“, so Westhauser

Bei der Bergwacht heißt es, als Konsequenz sei die nationale und europäische Zusammenarbeit gestärkt und die Verbindung zwischen Höhlenforscher und Höhlenrettern intensiviert worden. 2023 übten an die hundert Höhlenretter im Chiemgau den Ernstfall. Es gebe eine engere Anbindung von den Spezialisten für außergewöhnliche Situationen, sagt Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger. Der Verband der Deutschen Höhlen- und Karstforscher legte nach dem Unfall einen neuen Solidaritätsfonds für Betroffene auf, um diese besser unterstützen zu können.

Immer wieder verunglücken Menschen in Höhlen. Steinschlag, Kälte und durch Wasser abgeschnittene Rückwege sind besondere Gefahren.

Sechs Kilometer neue Gänge erforscht

Für Schlagzeilen sorgte ein Unglück 2018 in Thailand, als zwölf junge Fußballer und ihr Trainer nach heftigem Regen eingeschlossen wurden. Bei der Rettungsaktion, an der rund 1000 Menschen beteiligt waren, starb ein Retter. Die Gefahr für das Leben der Helfer war auch am Untersberg ein Thema, das allerdings hinter den Kulissen verhandelt wurde.

Mit den Cannstatter Kameraden hat Westhauser seither gut sechs Kilometer neuer Gänge erforscht. „Wir wollen mehr verstehen, wie die Höhle verläuft“, sagt Westhauser. Sie sammeln auch Material für wissenschaftliche Forschungsarbeiten. Sedimente etwa, deren Zusammensetzung Aufschluss geben kann über den Eintrag von Saharastaub oder Schadstoffen.

In Kürze feiert Westhauser seinen 64. Geburtstag. „Die Ausdauer ist nicht das Thema. Aber ich bin einfach langsamer“, berichtet er. Noch schafft er die anstrengenden Touren in die Riesending-Schachthöhle. Wenn das nicht mehr geht „muss ich vielleicht auf kleinere Höhlen umsteigen“. SABINE DOBEL

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