Überschwemmungen im Kreis Augsburg: In Dinkelscherben warten die Bürger seit Jahren auf ein Rückhaltebecken. © Picture Alliance
München – Das Hochwasser im Mai war das fünfte Jahrhunderthochwasser innerhalb von 25 Jahren in Süddeutschland. 7000 Menschen mussten evakuiert werden, vier Menschen starben, ein Feuerwehrmann wird noch immer vermisst. An den Gebäuden und Schutzanlagen entstanden Schäden von vielen Millionen Euro. Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können, betonte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) gestern bei seinem Bericht im Umweltausschuss des Landtags.
„Die Polder an der Iller, der Wertach und am Lech haben viel verhindert. Auch der Forggensee und der Sylvensteinspeicher haben viel Wasser abgefangen.“ Die frühzeitige Warnung habe den Kommunen und Landkreisen geholfen, sich für die enormen Regenmengen zu rüsten und mobile Schutzelemente aufzubauen. In den vergangenen fünf Jahren habe der Freistaat die 220 Millionen Euro für den Hochwasserschutz nochmal um 60 Millionen aufgestockt, betonte Glauber und kündigte an, dass noch mehr Geld in diesen Bereich fließen müsse. Entschieden werde darüber in einer Kabinettssitzung voraussichtlich Ende Juli.
Doch nicht alle Ausschussmitglieder konnte der Minister überzeugen, dass Bayern genug tut, um vor Hochwasserkatastrophen zu schützen. 80 Millionen Euro der Mittel würden allein in den Unterhalt der Schutzbauten fließen, kritisierte Christian Hierneis von den Grünen. Außerdem seien die Kosten für alles gestiegen. „Mit 200 Millionen Euro ist heute weniger machbar als früher.“ Die Grünen fordern mehr Geld für den Hochwasserschutz – vor allem für die Renaturierung von Flüssen und Auen oder die Rückverlagerung von Deichen. Außerdem bräuchten die Wasserwirtschaftsämter in Bayern noch mehr Personal für diese Aufgaben.
Kritik an Glauber aus Dinkelscherben
Die SPD-Fraktion forderte einen schnelleren Bau von Hochwasserschutzmaßnahmen – nicht nur von natürlichen, sondern auch dem Ausbau von Poldern. SPD-Umweltexpertin Anna Rasehorn nannte Dinkelscherben als Beispiel. Die Marktgemeinde im Kreis Augsburg warte seit über 20 Jahren auf wirksamen Hochwasserschutz am Donauzufluss Zusam. Bürgermeister Edgar Kalb hatte Glauber das Problem vor Ort bereits vor fünf Jahren geschildert, seitdem sei „null komma null Zählbares geschehen“, hatte er den Umweltminister kritisiert. Für das dort geplante Hochwasserrückhaltebecken gibt es bereits seit etwa zehn Jahren einen gültigen Planfeststellungsbeschluss. Gebaut wurde aber auch deshalb nicht, weil sich Freistaat und Landwirte auf keinen Entschädigungspreis für die Felder einigen konnten. Im Mai sind erneut Häuser in Dinkelscherben überflutet worden.
Glauber hatte bereits am Mittwoch bestätigt, dass die Landwirte enteignet werden müssten, um Anfang kommenden Jahres mit dem Bau des Hochwasserrückhaltebeckens beginnen zu können. Das sei das härteste Schwert, sagte er gegenüber dem BR. Im Ausschuss betonte er nochmal, Enteignungen seien auch in anderen Regionen nötig, um die Bürger vor Hochwasser zu schützen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian von Brunn stellte sich hinter Glauber. „Der Schutz von Menschen muss Priorität haben. Das muss auch gegen Egoisten und Einzelinteressen vor Ort durchgesetzt werden.“ Er forderte aber, dass der Freistaat den Bürgermeistern vor Ort bei diesen Kämpfen zur Seite stehen müsse.
Auch die Experten gehen davon aus, das künftig deutlich mehr Flächen nötig sein werden, um den Hochwasserschutz in Bayern zu verbessern. Man müsse sich über eine Neubewertung von bebauten Flächen Gedanken machen, sagte der LMU-Geograph Matthias Garschagen. „Entscheidend wird aber auch sein, Flächen stärker multifunktional auszurichten, also etwa als landwirtschaftliche Flächen und für den Hochwasserschutz. Da müssen wir auch regulativ ansetzen und uns über Ausgleichszahlungen Gedanken machen.“
Kommunen müssen cleverer planen
Die Kommunen müssten bei ihrer Bauleitplanung multifunktional denken. Sie könnten beispielsweise Sportplätze oder Spielplätze gezielt als Retentionsflächen planen. „Momentan versuchen sie eher, das Wasser herauszuhalten, aber in Zukunft werden sie verstärkt auch innerhalb der Siedlungen mit Wasser umgehen müssen“, prognostiziert Garschagen. Gerade bei Starkregen wären solche Maßnahmen deutlich günstiger, als der teure Umbau unterirdischer Kanalisationssysteme.
Auch beim Gebäudeschutz sieht der Experte noch Spielraum. Hochwasserfeste Kellerfenster wären hilfreich, auch Rückstauklappen, Flutschottvorrichtungen und Spundwände könnten vor Überschwemmungen schützen. „Die extremen Wetterereignisse kommen zügiger und sind heftiger als gedacht.“ Und sie könnten auch Kommunen treffen, die zuvor noch nie hochwassergefährdet waren.