Trauer um Holocaust-Überlebenden Zwi Katz

von Redaktion

Er überlebte das KZ in Kaufering und den Todesmarsch durch Oberbayern – Gefragter Zeitzeuge bei Schulklassen

Zwi Katz mit seiner Ehefrau Esther bei einer Veranstaltung im Jahr 2009. © Archiv

Planegg/Tel Aviv – Er war in Oberbayern über viele Jahre ein guter Bekannter: Im Alter von 96 Jahren ist in der Nacht zum Montag der Holocaust-Überlebende Zwi Katz bei Tel Aviv verstorben. Katz war seit den 1980er-Jahren viele Male in Oberbayern, zuletzt 2016, um über seine Erinnerung vor Schulklassen und auf Gedenkveranstaltungen zu berichten – darüber, wie er das KZ Kaufering, ein Außenlager des KZ Dachau überleben konnte, und darüber, was er kurz vor Kriegsende im April 1945 beim Todesmarsch von KZ-Häftlingen durch halb Oberbayern durchmachen musste. Zwi Katz war ein begnadeter Erzähler, er tat das oft mit einem Augenzwinkern, was angesichts der Thematik eine Kunst war, und immer ohne Hass und Groll.

Die Lebensgeschichte von Zwi Katz ist schier atemberaubend. Er wuchs in einer deutsch-jüdischen Familie in Kaunas/Litauen auf. Im privaten Gespräch schwelgte er oft von den traumhaften Sommerabenden an der Memel, die er als Jugendlicher erlebte, bis die Nazis das Land 1941 überrollten. Die Familie musste ins Ghetto, war Freiwild für SS, Wehrmacht und litauische Antisemiten. Manche deutsche Worte, etwa „Aktion“ (so umschrieb die SS die Selektionen im Ghetto) hatten für Zwi Katz zeitlebens einen mörderischen Beigeschmack. „Hinter diesem schlichten Ausdruck verbargen sich Menschenjagd, Massenmord, Vernichtung und unbeschreibliche Greuel“, so beschrieb es Katz in seinen 2002 erschienenen Erinnerungen „Von den Ufern der Memel ins Ungewisse“. 1944 wurden die überlebenden Juden zum Bahnhof getrieben, Katz kam per Eisenbahn nach Kaufering. Unterwegs sah er ein Transparent, quer gespannt über die Schienen: „Räder müssen rollen für den Sieg“ – noch so ein Slogan, den er nie vergessen hat. In Kaufering arbeitete er mit tausenden KZ-Häftlingen für die Rüstungsindustrie an einem Bunker. Es kam nicht mehr dazu. Noch bevor die Amerikaner das Lager befreien konnten, wurde Zwi Katz in einem Todesmarsch nach Dachau und dann weiter nach Süden getrieben, ehe der damals 17-Jährige bei Reichersbeuern (nahe Bad Tölz) befreit wurde.

Zwi Katz emigrierte nach Palästina, kämpfte 1948 mit der Waffe im israelischen Unabhängigkeitskrieg, arbeitete auf einer Geflügelfarm, gründete eine Familie mit Esther, auch sie Holocaust-Überlebende, die in Polen versteckt worden war. Mit seiner Frau, später aber auch mit seinen Kindern und Enkelkindern, kam er seit den 1980er-Jahren oft nach Oberbayern, sprach wie auch andere Überlebende aus Litauen, die sich zu einer Vereinigung zusammengeschlossen hatten, bei den Feiern zur Einweihung der Todesmarsch-Mahnmale. Zwi Katz ging als Ehrenvorsitzender des Vereins „Gedenken im Würmtal“ noch im hohen Alter und bei sengender Sonne etliche Kilometer auf einem „Gedenkmarsch“ mit.

Leider hat Zwi Katz keine Fortsetzung seiner Erinnerungen nach 1945 geschrieben. Man hätte dann vielleicht erfahren, wie er sich in Israel fühlte – wer ihn dort besuchte, der ahnte, dass er sich nicht überall sicher fühlte und Orte aktueller Konflikte, Jerusalem etwa, nur sehr ungern betrat. Es mag paradox klingen, aber da war das heutige Oberbayern für ihn fast eine Wohltat. Ja, man kann sagen, Oberbayern hat einen Freund verloren. DIRK WALTER

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