Gewalt gegen Polizei auf Rekordniveau

von Redaktion

Neue Schutzausrüstung bekommen die Polizisten bei ihrem Streifendienst. Ein Set wiegt 25 Kilogramm. © Marcus Schlaf

Am Monopterus im Englischen Garten wurden Polizisten in der Vergangenheit schon mit Flaschen beworfen. © Peter Kneffel/dpa

München – Diese Nachtschicht wird Sara E. so schnell nicht vergessen: Zusammen mit einem Kollegen war die junge Polizistin im Olympiapark als Streife unterwegs, als ihnen ein Mann aufgefallen ist. Seine Kontrolle in einem Hinterhof eskalierte im Oktober 2023 komplett: Der aggressive Mann schlug und trat auf Sara E. ein. Dann drückte er die Beamtin gegen einen Baum und überstreckte ihren Ellbogen. Die Folge: Wochenlang konnte die Münchnerin keinen Dienst mehr verrichten. Hilfe bekam sie unter anderem von der Bayerischen Polizeistiftung.

Der Angriff auf die Beamtin ist kein Einzelfall. Im Gegenteil. Im vergangenen Jahr wurden im Freistaat 3050 Polizisten im Einsatz verletzt. 14 so schwer, dass sie stationär ins Krankenhaus mussten. „Das ist ein trauriger Höchstwert seit Erstellung unserer Lagebilder 2010“, verdeutlichte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei einem Pressetermin am Montag.

Insgesamt gab es 7913 Delikte gegen Polizeibeamte. 4826 Mal wurde dabei körperliche Gewalt ausgeübt – was im Vergleich zum Vorjahr einem Plus von 5,2 Prozent und 240 zusätzlichen Fällen entspricht. Acht dieser Angriffe wurden als versuchte Tötung gewertet. „Die Hemmschwelle in unserer Gesellschaft, Gewalt einzusetzen, sinkt“, urteilte der Minister. Und stellte klar: „Die Uniform darf keine Zielscheibe sein!“

Die Realität auf der Straße sieht indes anders aus. Daran hat der Polizistenmord von Mannheim erst kürzlich ganz Deutschland schmerzhaft erinnert. Wie ernst die Lage auch in Bayern ist, zeigen folgende Zahlen von 2023: Bei 13 Attacken gegen Beamte führten die Angreifer eine scharfe Waffe bei sich. Zweimal wurde sogar eine Pistole gegen Polizisten eingesetzt. Weitaus häufiger waren aber tätliche Angriffe (2542 Fälle – plus 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), Widerstand (1628 Fälle – plus 2,6 Prozent), Beleidigung (2555 Fälle – minus 8,6 Prozent) und Bedrohung (393 Fälle – plus 10,7 Prozent). Die Täter sind dabei zu 83 Prozent männlich, mehr als die Hälfte von ihnen stand unter Alkohol, Drogen oder beidem.

„Wer unsere Einsatzkräfte angreift, muss wissen: Er greift damit zugleich den Rechtsstaat an“, betonte Justizminister Georg Eisenreich (CSU) mit Blick auf diese Statistik. Die Täter dürften sich deshalb sicher sein, schnell und konsequent bestraft zu werden. Wer Einsatzkräfte tätlich angreift, kann bis zu fünf Jahren hinter Gitter wandern. Für diese Fälle gebe es spezielle Ansprechpartner und Konzepte für eine schnelle Abwicklung. Positiv in den Augen Eisenreichs: Der Justiz wurden 350 neue Stellen bewilligt, 120 davon sollen zusätzlichen Staatsanwälten gelten. Das Innenministerium setzt zudem auf eine intensivere Schulung der Polizisten. Die Streifenwagen wurden mit zusätzlicher Schutzausrüstung ausgestattet. Außerdem seien im Freistaat aktuell mehr als 1800 Bodycams im Einsatz.

All das konnte im vergangenen Oktober nicht verhindern, dass die junge Beamtin Sara E. im Olympiapark schwer verletzt wurde. Bis zu 160 Fälle wie ihrer landen pro Jahr bei der Bayerischen Polizeistiftung. Sie hat seit ihrer Gründung im Jahr 1977, wie Vorstandsvorsitzender Thomas Lintl erklärte, ganze 3,7 Millionen Euro für verletzte Beamte ausgeschüttet. Jeder Fall stimme auf seine Weise bedenklich. Schließlich, so Lintl, stecke in jeder Uniform ein Mensch.

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