Zecken-Rekord in Bayern

von Redaktion

Eine Zecke auf einem Blatt.

Experte Gerhard Dobler.

München – Von einem Zeckenjahr will Gerhard Dobler noch nicht sprechen. Dafür müsse man noch den Juli abwarten, sagt er. Wissenschaftlich sei es noch zu früh, eine Aussage zu treffen. Aber für Juni sei die Zahl der FSME-Fälle ungewöhnlich hoch. Dobler weiß das sehr genau. Er leitet nicht nur die Abteilung Virologie am Institut für Mikrobiologie, sondern auch das nationale Konsiliarlabor für Frühsommer-Memingoenzephalitis. Alle strittigen FSME-Fälle aus ganz Deutschland landen auf seinem Labortisch. Anfang des Jahres gab es in Bayern vier FSME-Fälle, Anfang Juni 37 – jetzt sind es 60. So viele Hirnhautentzündungen hatten die Behörden in diesem Zeitraum in Bayern seit Beginn der Meldepflicht 2001 nicht verzeichnet.

Das Risiko, sich mit FSME anzustecken, ist zwischen Mai und Oktober am größten. Doch dieses Jahr sei die Entwicklung drei bis vier Wochen voraus, sagt Dobler. „Es kann gut sein, dass die Zahlen im Juli deutlich zurückgehen werden.“ Er ist einer der renommiertesten Zecken-Experten Deutschlands und beobachtet die Entwicklung genau. Seit etwa acht Jahren erhöht sich die Zahl der FSME-Fälle – vor allem in Südostbayern. In Oberbayern wurden 2010 noch sieben FSME-Fälle gemeldet, 2023 waren es 61. Auch der Zyklus hat sich verändert: Früher gab es alle drei bis vier Jahre ein Jahr mit vielen Fallzahlen, inzwischen ist es alle zwei Jahre so. 2023 war ein Jahr mit wenig Fällen (265). Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Jahr wieder mehr Menschen an Hirnhautentzündung erkranken.

Nicht erklären können sich die Wissenschaftler bisher, warum es seit einigen Jahren mehr FSME-Hotspots gibt. Nicht nur in Oberbayern, sondern auch im Bayerischen Wald, Mittelfranken und Schwaben. Diese Flächen sind so groß wie Fußballfelder. Und nur dort besteht das Risiko einer Infektion. „Sie können 100 Meter entfernt von einer Zecke gestochen werden und es passiert überhaupt nichts“, sagt Dobler. Er rät jedoch dazu, es nicht drauf ankommen zu lassen und sich gegen FSME impfen zu lassen. Für den vollen Schutz sind drei Impfungen nötig. Denkbar sei auch, dass es irgendwann Impfungen gegen Borreliose gibt, die Krankheit wird ebenfalls durch Zecken übertragen. „Bestrebungen dafür gibt es, aber es wird sicher noch Jahre dauern, bis es die Impfung gibt“, sagt Dobler.

Die FSME-Viren gelangen durch einen Zeckenstich in die Blutbahn des Menschen und können dort die Krankheit auslösen. Sie beginnt meist mit grippeähnlichen Symptomen, später kommt es zu einer Entzündung der Hirnhaut, des Gehirns oder des Rückenmarks. Manche Patienten haben Spätfolgen wie Lähmungen. Die Erkrankung kann sogar tödlich enden. Das Risiko, an Borreliose zu erkranken, ist größer. Erstes Symptom ist oft eine Rötung um die Einstichstelle, später können Nerven, Gelenke und Herz von den Bakterien befallen werden. Diese Erkrankung kann mit Antibiotika behandelt werden.

Zecken sitzen meistens auf Sträuchern und Gräsern. Dort können sie von Spaziergängern abgestreift werden. Wer sich schützen will, trägt am besten lange Kleidung. Wichtig sei trotzdem, sich nach dem Aufenthalt in der Natur akribisch abzusuchen, rät Dobler. Wer eine Zecke entdeckt, sollte sie sofort entfernen. Damit lässt sich eine Infektion mit Borreliose eventuell noch verhindern. Die Zecke muss zwölf bis 20 Stunden Blut saugen, bevor es zur Übertragung der Bakterien kommt. Das FSME-Virus überträgt die Zecke hingegen sofort.

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