Der Appell eines Organspenders

von Redaktion

Ein Organspende-Ausweis.

Bewie Bauer hat seinem Bruder vor 17 Jahren eine Niere gespendet. © Marcus Schlaf

München/Erding – Jedes Jahr im September wird Bewie Bauer von seinem Bruder Franz zum Essen eingeladen. Seit 17 Jahren. Damals hat der 48-Jährige gebürtige Erdinger seinem Bruder eine Niere gespendet. Es war das erste Mal, dass er sich mit dem Thema Organspende befassen musste. Sein Bruder hatte als Kind einmal wegen Vergiftungserscheinungen zur Dialyse gemusst. Er galt danach als gesund – bis die Ärzte 15 Jahre später bei einer Routineuntersuchung feststellten, dass seine Blutwerte nicht in Ordnung waren. Bald darauf sagten sie ihm, dass seine Nieren irgendwann versagen würden. „Mein Bruder konnte noch 18 Jahre ohne Dialyse weiterleben“, erzählt Bauer, der heute in München lebt. Aber es war immer klar, dass er irgendwann ein Spenderorgan brauchen würde. Die Leistung der Nieren nahm immer weiter ab. Mitte 2006 bekamen die Ärzte das mit Medikamenten nicht mehr in den Griff.

Mehr als 6600 Menschen in Deutschland brauchen aktuell eine Niere. Jeder von ihnen muss im Schnitt sechs bis acht Jahre warten, bis ein passender Spender gefunden ist. Denn nur vier von zehn Deutschen haben einen Organspende-Ausweis. Auch Bewie Bauer trug damals noch keinen Organspende-Ausweis bei sich, als sein Bruder auf ihn und die vier anderen Geschwister zukam. „Ich habe damals angefangen, mich intensiv mit dem Thema zu befassen“, sagt er. Wie schwer seinem Bruder das Gespräch gefallen war, wusste er. Alle ließen sich für ihn testen. Dabei stellte sich heraus, dass alle Fünf als Spender infrage kämen. „Das Los fiel dann auf mich“, erzählt er. „Meine Werte haben wie bei Zwillingen zu seinen gepasst.“

Bewie Bauer will nichts beschönigen, natürlich hatte er damals Angst. Obwohl ihm die Ärzte versicherten, dass der Eingriff unkompliziert sei. Aber es war ein Eingriff an einem gesunden Körper. Der familiäre Zusammenhalt habe ihm damals geholfen, sagt er rückblickend. Außerdem wusste er im Gegensatz zu den meisten anderen Organspendern ja, wer seine Niere bekommen würde – und wie sehr sie seinem Bruder helfen würde.

Seit damals sind 17 Jahre vergangen. Bewie Bauer lebt mit einer Niere ohne Einschränkungen. Der Körper seines Bruders hat die gespendete Niere gut angenommen. Er muss zwar Medikamente nehmen, ist aber körperlich sehr fit. Sechs Jahre nach der Spende lief er sogar einen Halbmarathon für die Aktion „Organspende schenkt Leben“.

Auch Bewie Bauer begleitet das Thema Organspende seitdem durchs Leben. Er steht als Kabarettist auf vielen Bühnen. Doch er will sein Publikum nicht mehr nur zum Lachen bringen – sondern auch zum Nachdenken. „In einem ernsteren Teil am Ende erzähle ich die Geschichte von mir und meinem Bruder“, sagt er. Außerdem verteilt er Infoflyer rund um den Organspende-Ausweis. Wer einen besitzt, kann auch ankreuzen, dass er keine Organe spenden will. „Viele Menschen wollen sich mit diesem Thema aber nicht befassen“, glaubt er.

In Bundestag kämpfen aktuell sechs Abgeordnete für einen Mentalitätswechsel beim Thema Organspende. In einem fraktionsübergreifenden Antrag brachten sie erneut die Widerspruchslösung ins Spiel. Mit dieser Regelung wäre jeder Volljährige nach dem Tod potenzieller Organspender, wenn er vorher nicht ausdrücklich widersprochen hat. Nur so würde es in Deutschland mehr Spender geben, argumentieren die sechs Initiatoren. Ihr Vorstoß wurde bereits heftig kritisiert – unter anderem mit der Begründung, eine Organspende müsse selbstbestimmt sein.

Bewie Bauer würde sich wünschen, dass diese Widerspruchslösung nicht nötig wäre. „Natürlich wäre die bessere Lösung, dass sich mehr Menschen aktiv zur Organspende bereit erklären“, sagt der 48-Jährige. „Aber das passiert seit Jahren nicht – trotz aller Informationskampagnen.“ Dass die Widerspruchslösung funktioniere, sehe man im Ausland. Sie wird in 17 europäischen Ländern praktiziert, dort gibt es deutlich mehr Organspender als in Deutschland.

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