Der Ursprung der Ortsnamen

von Redaktion

Bayerns Dialektsprecher geben Forschern wichtige Hinweise

Bei der Erforschung der Ortsnamen arbeiten die Wissenschaftler mit Tonbandaufnahmen von Dialektsprechern. © Kilian Pfeiffer (2)

Johann Wellner ist Sprachwissenschaftler und leitet ein Projekt, mit dem bayerische Ortsnamen in Mundart erfasst werden sollen. Im Interview berichtet er, warum es dafür nicht mehr viele Gelegenheiten gibt – und was die Forscher schon herausgefunden haben.

Herr Wellner, stirbt die Mundart langfristig aus?

Das glaube ich nicht. Der deutschsprachige Raum zeichnet sich durch einen Reichtum an Varianten aus. Die werden sicherlich noch lange erhalten bleiben. Ich gehe eher davon aus, dass in Bayern die Dialekte ihre früher auf kleinste Regionen beschränkten Merkmale verlieren. Übernommen werden könnten Elemente aus einem umgangssprachlicheren Bairisch.

Was war der Auslöser für das Ortsnamen-Projekt?

Die Idee, alle Ortsnamen in Bayern in Mundart als Tondokument zu erfassen, besteht schon seit rund zwei Jahrzehnten. Hintergrund ist, dass nach und nach die Dialektsprecher aussterben, die noch muttersprachlich dialektal aufwuchsen. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es kaum Einwirkungen aus der deutschen Standardsprache. Das macht sich in der ganzen Mundart bemerkbar, aber eben auch bei der Aussprache der Ortsnamen. Die Mundart weicht oft erheblich von der schriftlichen Form ab. Die amtlichen Formen stammten meist von Vermessern vor etwa 200 Jahren, die der hiesigen Mundart nicht mächtig waren und die Namen so festhielten, wie sie sie verstanden. In den Dialektvarianten hat sich eine meist unverfälschte Weitergabe des Namens erhalten, die den regulären Lautentwicklungen der jeweiligen Mundart folgte. Mit dem sprachgeschichtlichen Wissen dieser Lautentwicklungen kann man auf die ursprüngliche Bedeutung des Namens kommen. Die Ergebnisse des Projekts liefern Grundlagen für weitere Forschungsmöglichkeiten. In erster Linie wären das die historischen Ortsnamenbücher.

Wie genau gehen Sie vor?

Wir erheben die mundartlichen Ortsnamen mithilfe von Sprachaufnahmen mit Dialektsprechern. Es handelt sich dabei idealerweise um ältere Sprecher. Sie sind meist in der Heimatgemeinde ansässig oder haben diese nie lange verlassen. Die Mundart sollte sozusagen ihre Muttersprache sein. Bei Menschen, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden, ist das am ausgeprägtesten. Es lassen sich dann am wahrscheinlichsten Aussprachevarianten finden, die nicht von der Hochsprache beeinflusst wurden. Die Gespräche werden auf einem Gerät aufgezeichnet und die Tondateien von Projektmitarbeitern aufbereitet und wissenschaftlich begutachtet.

Gab esschon Überraschungen bei Ihren Forschungsergebnissen?

Der wissenschaftliche Wert der Erhebungen wird erst später deutlich, wenn über die Mundartform die Herkunft des Ortsnamens erklärt werden kann. Es fällt aber bei der Durchsicht der Aufnahmen auf, dass nicht wenige Ortsnamen ganz andere Bezeichnungen in der Mundart tragen. Die amtliche Form findet keinerlei Verwendung. So werden häufig immer noch Hausnamen genutzt oder der Ort nach einem Kirchenpatronat benannt.

Könnte das Projekt fortgesetzt werden?

Mit der Erhebung der Ortsnamen in Mundart ist die Sache im Grunde abgeschlossen. Würde man in 50 Jahren neue Aufnahmen machen, werden sich keine neuen und nennenswerten Erkenntnisse ergeben. Außer, dass vielleicht ein bedeutender Teil der Dialektformen gar nicht mehr greifbar ist.

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