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Fredl, der Bastler

von Redaktion

Erinnerungen an einen Besuch bei den Fesls

Marke Eigenbau: Fredl präsentiert stolz seine Krokodil-Klappe. Der Künstler, der letzten Dienstag starb, war ein begeisterter Bastler. © Oliver Bodmer

Pleiskirchen – Als Journalist lernt man unzählige Menschen kennen. Ehrlich gesagt: Die meisten vergisst man wieder. Nur ein paar bleiben für immer hängen. Diese Begegnung hier, fast 14 Jahre her, im August 2010, ist mir in Erinnerung geblieben. Weil der Mann, zu dem wir fuhren, so ziemlich alles verkörpert, was man nicht unbedingt mit einem Star verbindet. Als da wären: Bescheidenheit, Freundlichkeit, Herzlichkeit.

Und dann ist da ja noch das Krokodil hinter der Klappe mit Warnschild: Vorsicht Krokodil. Fredl Fesl öffnet die Klappe trotzdem, und heraus schießt das grüne Ungetüm und reißt sein furchterregendes Maul auf. Unser Gastgeber hat selbst eine diebische Gaudi an der Mechanik und der Wirkung. Und wir sowieso. Überhaupt: In jeder Ecke, in jedem Winkel spürt man: Fredl Fesl ist grenzenlos. Ein Mann, dem das Leben keine Grenzen setzen kann. Nur seinem Körper. Wir lernen ein gestandenes Mannsbild kennen, das mit großen Augen die Welt entdeckt und sich nicht unterkriegen lässt. Das war so der Eindruck, als wir nach erfüllten Stunden den Künstler Fredl Fesl und seine Monika, seine große Liebe und sein Fels in der Brandung, privat kennengelernt hatten und im Auto zurück nach München saßen.

Aber jetzt reisen wir erst einmal an: Der Fotograf und ich fahren nahe Pleiskirchen (Kreis Altötting) irgendwann die Landstraße ab, nachdem wir ein weißes Schild auf einer gusseisernen, barock-gedrehten Stange erkennen. Drauf steht: „Häuslaign“. Eine sportliche Linkskurve um fast 180 Grad. Oben ein großer Hof.

Parkinson ist schon damals ein festes Element im Leben des Paars. Oft muss der Liedermacher stundenlang in den eigens gebauten riesigen Whirlpool, wenn die Schmerzen zu groß werden, um die Muskeln zu entspannen. Manche Tage sind hart zum Aufstehen, die Schmerzen stellen alles in den Schatten. Doch Fesl, der Kämpfer, lässt sich die Lust am Leben nicht nehmen. Er zieht sich an den Expandern hoch oder spielt Darts mit seiner Frau.

Überall in Haus und Hof stolpert man über Fredl Fesls Werke

Zu tun gibt es ohnehin immer was. Er baut und bastelt. Überall stolpert man über die Werke, die Fredl im Haus, im Garten, auf dem Hof gestaltet hat. „Vielleicht habe ich als Kind zu wenig gespielt“, schmunzelt er damals. So einnehmend der Mann auf der Bühne sein kann, so bescheiden ist er privat. Freundlich. Höflich. Bayerisch. „Wer hierher fährt“, sagt er uns damals im August 2010, „der will zu mir oder hat sich verfahren“.

Scheinwerfer und Stille, Applaus und Abgeschiedenheit – beides gehörte zu dem gebürtigen Niederbayern. Und je weiter Parkinson fortschrittt, desto wichtiger wurde jener rund 500 Jahre alte Hof. „Wenn man sich auf der Straße sieht, dann ruft man: Griaß di, Nachbar! Auch wenn der zwei Kilometer weg wohnt“, sagte Fredl.

Diese Abstände liebte er. Nicht weil er Menschen nicht mochte, im Gegenteil – seine Lieder sind ja genau deshalb so unglaublich lustig, weil er den Menschen liebte und seine Schwächen so saukomisch, aber auch unendlich zärtlich entlarvte – sondern weil jeder atmen kann.

Nach der Führung durch Haus und Hof, nach dem Bewundern etlicher Zeichnungen, selbst gebastelten Unsinns-Maschinen, dem Bagger, in dem Fredl sich als weiterer Virtuose erweist, sitzen wir zu Tisch bei einer Brotzeit. Fredl erzählt, wie die Krankheit auch den Charakter verändert. Wenn man zu wenig Dopamin einnehme, sagt er, neige man zu Depressionen.

Als es kurz vor unserem Abschied nochmals um die Krankheit geht und der geliebte Fels in der Brandung, seine Frau Monika, andeutet, dass Fredls Krankheit ein Stück weit auch ihre sei, sagt ihr Mann leise: „Tuat ma leid.“ Aber das so feinsinnig und warm, dass wir alle lachen müssen. Mit Tränen in den Augen. MATTHIAS BIEBER

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