Leo Maduschka, der Bergphilosoph

von Redaktion

Die Civetta-Gruppe in den Dolomiten, bei deren Besteigung Maduschka zu Tode kam. © IMAGO

Begnadeter Kletterer und Literat: Leo Maduschka in der Wand. © Aus dem Buch „Leo Maduschka. Junger Mensch im Gebirg“

München – „Ein Lied von bergtreuen Freunden, von Lieben und fernheißem Weh, ein Träumen von Gipfeln und Zinnen, von kühlem, schimmerndem Schnee.“ Diese Zeilen stammen von Leo Maduschka. Der Alpinist, geboren am 26. Juli 1908 als Sohn eines Münchner Landgerichtsdirektors, versuchte bereits als Jugendlicher so oft es ging, in die Berge zu kommen, mitunter auch ohne das Wissen der Eltern. Nach dem Abitur am Wilhelmsgymnasium studierte er seit 1927 Philologie, Philosophie und Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität. Außerdem wurde er Mitglied im Akademischen Alpenvereins München (AAVM), einer elitären männerbundähnlichen Vereinigung, die sich als Gegenentwurf zum damals schon nationalistisch und antisemitisch geprägten Deutschen und Österreichischen Alpenverein sah. Die Mitglieder des AAVM, die alle Akademiker waren und mit denen Maduschka viele Hochtouren unternahm, waren aber auch Vertreter des „Bergsteigens verschärfter Richtung“. Hierbei stand weniger das Gemeinschaftserlebnis im Mittelpunkt der Bergfahrten, sondern extreme Touren in kleinen Gruppen.

Mit einem Intermezzo 1929 in Wien, beendete der Alpinist sein Studium im Sommer 1931. Unmittelbar darauf folgte die Promotion bei dem damals bekannten Philologen Walther Brecht, die Maduschka über „Das Problem der Einsamkeit im 18. Jahrhundert“ schrieb und im Februar 1932 ebenso erfolgreich beendete. Inzwischen hatte sich „Much“, wie er von seinen Freunden genannt wurde, zu einem der besten Felskletterer seiner Zeit entwickelt. Und er reflektierte seine Leidenschaft literarisch. Sein bekanntester Aufsatz, der 1932 in der „Deutschen Alpenzeitung“ publiziert wurde, trug den bezeichnenden Titel „Bergsteigen als romantische Lebensform“. Hier schrieb Maduschka unter anderem in Bezug auf den Wanderer: „Auch sein Trieb in die Ferne ist unstillbar; Ferne und Weite aber bedeuten ihm vor allem: der immer neue Berg“, um zu dem Fazit zu kommen: „wir müssen wandern, wir müssen wandern, um unsere Sehnsucht zu töten – sonst würde sie uns töten“.

Mit diesen Zeilen traf er den Nerv seiner Zeit, wobei der junge Alpinist auch die „Neue Sachlichkeit“ vertrat, etwa wenn er sagte: „Die alpine Tat selbst in ihrer sachlich-klaren, gußeisernen Härte hat mit Romantik äußerlich-formal wenig zu schaffen.“ In diesem Zusammenhang sei die „alpine Tat“ ein „bewusst aufgesuchtes, konzentriertes und zu einem Höchstmaß verdichteten Lebens und Erlebens gestaltetes Abenteuer“.

Wer weiß, welchen weiteren Lebensweg der 24-Jährige wohl genommen hätte, wenn er nicht am 4. September 1932 in der Civetta-Nordwand bei einem Wettersturz im Schneesturm erfroren wäre? Den Tod am Berg hatte er mehrfach in seinem Leben unmittelbar mitansehen müssen, wovon nicht zuletzt sein 1924 veröffentlichtes Gedicht „Bergtod“ zeugt. In der dritten Strophe nahm er vorne weg, was ihm selbst einmal passieren würde: „Das Ungewitter ist heran; entfesselt rasen die Naturgewalten, wild orgelnd rast die Windsbraut um die Wände, Blitz zuckt auf Blitz, Lawinen donnern, die Elemente reichen sich die Hände.“ Als die Nachricht „Maduschka in Civettawand erfroren“ wenig später in München eintraf, herrschte Entsetzen.

Wenige Jahre nach dem Tod des „Frühvollendeten“ gab der bekannte Alpinist Walter Schmidkunz die gesammelten Schriften Maduschkas unter dem Titel „Leo Maduschka. Junger Mensch im Gebirg“ heraus und sorgte damit für einen wahren Hype. Maduschka wurde zum Idol einer ganzen Generation Bergsteiger. Dieser Trend hielt auch nach dem Zweiten Weltkrieg an, wie die Leiterin des Alpinen Museums in München, Friederike Kaiser, sagt: „Die damals junge Generation ist mit den Neuauflagen seiner Bücher aufgewachsen“, sodass Maduschkas Schriften „das Bergsteigen maßgeblich auch nach 1945 geprägt haben“. Bis in die 1960er-Jahre hinein wurden die Bücher immer wieder verlegt. Letztmalig gab der einstige Kulturreferent des Deutschen Alpenvereins, Helmuth Zebhauser, 1992 die Werke des Alpinisten neu heraus, ein Erfolg für das Buch blieb aber aus. Seit 1952 gibt es in München-Feldmoching die Maduschkastraße.

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