Normalerweise nervig: eine Stechmücke. © dpa
Elisabeth Zott-Schuhmachers, Dermatologin aus München.
Matthias Matze Erbe hat Superkräfte, die sich viele Münchner beim Spaziergang an der Isar derzeit wünschen würden. Während die Mückenstiche alle jucken, können sie Erbe offenbar nichts anhaben. © Götzfried
München – Den heißesten Tag des Jahres, den vergangenen Samstag, hat Matze Erbe am Langwieder See in München verbracht. Eine Szene auf der Liegewiese ist ihm im Gedächtnis geblieben. „Urplötzlich haben alle Leute ihr Zeug eingepackt und sind gegangen“, erzählt der 39-Jährige. „Ich dachte, alle flüchten, weil ein Gewitter aufzieht.“ Blitz und Donner waren da noch nicht in Sicht, aber eine andere Plage. „Um 19 Uhr geht es mit den Mücken so richtig los“, warnte ein anderer Badegast und nebelte sich in eine Autan-Wolke ein. Aber Matze Erbe blieb liegen, ohne Prophylaxe.
Denn hier liegt quasi Erdes Superkraft. „Die Mücke kommt, sticht, saugt das Blut ab und fliegt weg“, erklärt er. „Und ich fühle gar nichts. Es entsteht keine Schwellung, keine Rötung, nichts.“ Selbst die Einstichstelle ist sofort verschwunden. Die sonderbare Immunität hat Erbe, seit er denken kann. Für seine fünf Kinder, sieben bis 18 Jahre sind sie alt, ist sie eine Attraktion. „Für Kinder ist es interessant zu sehen, wie die Mücke selbst rot wird, wenn sie sich mit Blut vollsaugt“, erklärt Erbe, der die Tiere nie von sich scheucht und einfach gewähren lässt.
Wie ist das möglich? Zu einer Ferndiagnose will sich der Münchner Dermatologe Christoph Liebich nicht hinreißen lassen. „Das müsste man sich individuell anschauen. Aber prinzipiell lässt sich sagen, dass Schmerzempfinden typabhängig ist.“ Wie sehr uns das Jucken – eine Art von Schmerz – kümmert, sei zudem Kopfsache. „In Ruhephasen, etwa wenn wir uns abends zum Einschlafen ins Bett legen, beginnt so ein Stich plötzlich zu jucken. Die Schwelle der Wahrnehmung ist dann im Vergleich zur Hektik tagsüber stark gesunken.“
Die Psyche lässt sich trainieren. Autogenes Training, ein Mantra – so was kann nerviges Jucken ausblenden. „Wer es nicht ignorieren kann, sollte kühlen oder Hitze einsetzen“, rät Liebich. Zum Beispiel mit den neuartigen Hitzestiften. Sie verfügen über eine kleine Metallfläche, die sich auf Knopfdruck auf über 50 Grad Celsius erwärmt und für mehrere Sekunden auf die Stichstelle gedrückt wird. „Im Speichel der Mücke sind blutverdünnende Eiweiße enthalten, die dafür sorgen, dass das Blut beim Absaugen nicht gerinnt“, sagt Liebich. „Die Hitze zerstört ihre Struktur.“ Danach soll er nicht mehr jucken.
Bloß nicht kratzen, rät auch Dr. Elisabeth Zott-Schuhmachers, Fachärztin für Dermatologie und Ästhetische Medizin in München. Die Bakterien an unseren Fingen können zu Entzündungen führen. Zur Zeit behandelt sie täglich Patienten, vor allem Kinder, deren Stiche sich böse entzündet haben. Oder Menschen, die allergisch auf Mückenspucke reagieren. „Wer das von sich kennt, sollte sich diesen Sommer mit Mückenschutzsprays schützen.“
Immerhin kann man nichts dafür, wenn einen die Mücken „zum Anbeißen“ finden. „Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze dafür“, sagt Zott-Schumachers. „Mücken werden vom Kohlenstoffdioxid angelockt, das wir ausatmen. Die individuelle Zusammensetzungen unseres Schweißes macht uns attraktiver oder weniger attraktiv, gestochen zu werden. Zudem soll die Temperatur unseres Körpers eine Rolle spielen. Zugestochen wird dann oft da, wo die Haut am dünnsten ist.“ Etwa an Hand- oder Fußgelenken.
Der Münchner Matze Erbe leidet mit. „Ich habe für meine Kinder leider nirgendwo mehr Mückenschutzsprays bekommen, überall ausverkauft“, erzählt er. Seine Superkraft hat er ihnen also nicht vererbt. „Ich glaube auch nicht, dass es ein Super-Gen ist, sondern dass ich ein außergewöhnliches Immunsystem habe.“ Untersucht worden ist es noch nicht. „Zu Forschungszwecken wäre ich dazu aber schon bereit“, sagt er und lacht.