München – Bei den Verkehrsunternehmen ist der Ärger groß. Dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Wochenende die Finanzierung des Deutschlandtickets infrage gestellt hatte, weil sonst Geld für den Ausbau der Bahn-Infrastruktur fehle, wurde bei einem Pressegespräch am Starnberger See mit Groll quittiert. „Es ist ein desaströses Bild, das der Bund da abgibt“, schäumte Ingo Wortmann, Geschäftsführer der Münchner MVG und Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen. Er erwarte, dass der Bund seine Zusage einhalte. Vereinbart ist eigentlich, dass das Deutschlandticket, das im Jahr rund drei Milliarden Euro kostet, je zur Hälfte von Bund und den Länder finanziert wird. Außerdem muss der Bund Einnahmeüberschüsse aus dem Jahr 2023, die zur Deckung des Defizits vorgesehen sind, übertragen, was bisher nicht geschehen ist.
Für den Fall, dass es bei der passiven Haltung des Bundes bleibt, hat Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) bereits eine Preiserhöhung des Deutschlandtickets noch in diesem Jahr ins Spiel gebracht – auf 59 oder 69 Euro. Wortmann ist entsetzt: „Ich würde im Moment keine Preiserhöhung in den Vordergrund stellen.“ Dass das auch ein Wortbruch wäre, ist allen Beteiligten klar. Eigentlich hatten sich Bund und Länder im Januar geeinigt, dass es in diesem Jahr keine Preiserhöhung geben werde – und das öffentlich als großen Erfolg verkündet.
Gestern kam das 49-Euro-Ticket sogar im Bundestag zur Sprache: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte, der Bund werde die Zusage einhalten, das Regionalisierungsgesetz entsprechend geändert – das hatte er allerdings bereits im November versichert. Das Deutschlandticket werde es hoffentlich „viele Jahre“ geben, sagte Scholz weiter, auch wenn es über die Jahre „immer auch mal andere Preise geben“ werde.
Dass das Ticket ein Erfolg ist, steht nach anfänglichen Zweifeln auch bei den Verkehrsunternehmen fest. Thomas Prechtl, Chef der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), nannte es sogar einen „Gamechanger“. Das untermauert auch eine neue Erhebung, die VDV und Deutsche Bahn in Auftrag gegeben hatten. Die Umfrage, die unserer Zeitung vorliegt, zeigt steigende Werte bei Akzeptanz und Kaufverhalten.
Demnach besitzen 17,7 Prozent der Bürger ab 14 Jahren in Deutschland das 49-Euro-Ticket – das sind gut elf Millionen Personen. In Bayern sind es sogar 18,5 Prozent (siehe Grafik), Hamburg, Bremen und Berlin haben noch weit höhere Werte. Weitere Erkenntnis: Jüngere kaufen überdurchschnittlich oft das Ticket. Der Anteil der 14- bis 17-Jährigen beträgt 40 Prozent, der der 18- bis 29-Jährigen 35 Prozent. Nur acht Prozent der D-Ticket-Nutzer gehören der Generation 70plus an. 25 Prozent aller Befragten sind Gelegenheitskäufer, besitzen das Ticket also nur einen Monat. 26 Prozent haben es seit Beginn.
In einem gewissen Umfang hat das Deutschlandticket auch einen Verlagerungseffekt ausgelöst – 14 Prozent der Nutzer gaben an, sie würden ein anderes Verkehrsmittel nutzen, wenn es das Ticket nicht gäbe. Davon wiederum hätte sich die Hälfte ins Auto oder aufs Motorrad gesetzt. Zwölf Prozent geben als Grund für den Kauf des Tickets an, sie wollten „bewusst“ aufs Auto verzichten. „Durch das Deutschlandticket wurden im ersten Quartal 2024 etwa 284000 Tonnen CO2 eingespart“, folgert der VDV.
Interessant auch dies: Die Anzahl der reinen Digitalticket steigt leicht an. Waren es im Mai 2023 49 Prozent, die es nur auf dem Smartphone haben, waren es im März 2024 schon 54 Prozent. Auch die Chipkarten-Nutzung ist weiter beliebt (42 Prozent), während der Anteil derjenigen, die es auf Papier haben wollen, von elf auf vier Prozent gesunken ist. Für die repräsentative Erhebung befragte Forsa 24110 Bürger, in Bayern 3290.