Engpass für den Reisepass

von Redaktion

Ist er noch gültig? Wer für eine Reise in den Sommerferien einen neuen Pass braucht, ist möglicherweise schon zu spät dran. Die Bundesdruckerei ächzt unter ungewöhnlich hohen Antragszahlen. © IMAGO

München – Die Urlaubsretter von der Bundespolizei stehen am Flughafen München zwischen den Terminals. Dort gibt es einen Servicepoint, er öffnet im Sommer schon um 5.30 Uhr. Jeden Tag kommen Reisende hierher, viele verzweifelt. Denn oft haben sie erst jetzt, kurz vor dem Abflug, festgestellt, dass ihr Ausweis abgelaufen ist. Die Bundespolizisten können in solchen Fällen helfen: Sie stellen einen Reiseausweis als Passersatz aus. Kosten: acht Euro.

Bis zu 15 Flugreisende kommen täglich zum Servicepoint, sagt Stefan Beyer von der Bundespolizei. Vielleicht bekommen die Beamten in diesem Sommer besonders viel Arbeit. Denn bei der Bundesdruckerei, die Ausweisdokumente herstellt, brennt es wie nie. Seit Anfang 2024 sind die Antragszahlen vor allem für Reisepässe außergewöhnlich deutlich gestiegen, heißt es aus dem Bundesinnenministerium: „Binnen vier Wochen wurden erstmals in der Geschichte der Bundesdruckerei GmbH weit über 600 000 Reisepässe bestellt, bis in den Mai hinein wurden immer neue Tagesrekorde des täglichen Bestelleingangs aufgestellt.“

Die Folge: Lieferschwierigkeiten. „Seit März übersteigen die Produktionszeiten die vertragliche Lieferzeit von zwölf Werktagen und haben aktuell durchschnittlich 21,8 Werktage erreicht“, so das Bundesinnenministerium. Das sorgt für Frust: „In den Pass- und Ausweisstellen der Städte rumort es“, sagt Helmut Dedy, Chef des Deutschen Städtetags. „Mittlerweile kann es bis zu acht Wochen dauern, bis die Reisepässe geliefert werden – normalerweise sind es nur etwa zwei Wochen“, sagt Dedy. In Regensburg dauert es sogar bis zu zehn Wochen.

Auch in der Landeshauptstadt kennt man das Problem, kann aber auch nur die Lieferfristen der Bundesdruckerei weitergeben. Oft entlädt sich die Wut der Bürger noch in der Amtsstube: „Das Problem landet freilich bei den Mitarbeitern“, sagt Kristin Nettelnbrecher von der zuständigen Abteilung. Dedy zufolge beantragen viele erst einen normalen Pass für 70 Euro, dann aber doch die Express-Variante, die nach drei Tagen vorliegt, aber 32 Euro Aufpreis kostet. Die Bürger bleiben dann auf doppelten Kosten sitzen. Schon eine Gesetzesänderung, die 2021 in Kraft trat, brachte die Ämter an ihre Grenzen – und Familien in Stress. Damals wurde eingeführt, dass der Kinderreisepass nur noch ein Jahr statt sechs Jahre Gültigkeit besitzt. Die Rechnung ist einfach: Allein die Zahl der Anträge nur für diesen Bereich versechsfachte sich.

Seit diesem Jahr gibt es den Kinderreisepass, der sofort ausgestellt wird, nicht mehr. Der Hintergrund: Diese Ausweisdokumente ohne Chip wurden gleich ausgehändigt und galten dadurch als „schwach geschützt“. Eltern, die mit ihren Kindern über die EU-Grenzen hinaus reisen, benötigen jetzt einen Reisepass mit Chip, der sechs Jahre gilt. Innerhalb der EU reicht der ebenso lang gültige Personalausweis, mit 22,80 Euro ist der günstiger als der Kinderreisepass (37,50 Euro). Ob Ausweis oder Pass – die meisten Kinder brauchen heuer ein neues Ausweisdokument aus der Bundesdruckerei. In Ingolstadt zum Beispiel stellt ein Sprecher „seit Jahresbeginn erheblich höhere Fallzahlen“ fest. Und noch ein Faktor treibt die Antragszahlen in die Höhe: Während Corona hätten viele Bürger auf eine Verlängerung der Dokumente verzichtet. Jetzt hat sich das Reiseverhalten normalisiert, ein neuer Pass muss her. In Ingolstadt wurden in den ersten Monaten des Jahres 40 Prozent mehr Reisepässe und 15 Prozent mehr Personalausweise ausgestellt. Auch in Augsburg ächzen die Mitarbeiter im Bürgerbüro unter dem Ansturm. Sprecher Helmut Truschies geht aber davon aus, dass die Lage nächstes Jahr entspannter ist. Denn zumindest Familien mit Kindern haben erst einmal Ruhe – für die nächsten sechs Jahre.

Aus dem Münchner KVR heißt es: „Wer jetzt einen Reisepass für die Sommerferien will, ist zu spät dran.“ Und wer in letzter Minute zu den Urlaubsrettern der Bundespolizei muss, bekommt nicht in jedem Fall Hilfe. Der Reisepassersatz wird innerhalb der EU zwar meist anerkannt. Für Reisen beispielsweise nach Ägypten, Großbritannien, in die USA oder die Türkei reicht der Passersatz nicht. Sprecher Bayer sagt: „Da können wir dann leider auch nichts mehr machen.“

Artikel 7 von 11