Die Steinwüste im Vorgarten: Gemeinden wollen so etwas mit Satzungen verhindern. Die Staatskanzlei könnte ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. © Arnulf Hettrich/IMAGO
München – München hat sie, Regensburg auch, Coburg, Landshut ebenfalls. Aber auch kleinere Kommunen, etwa Geretsried oder Vaterstetten: Die Rede ist von sogenannten Freiflächengestaltungssatzungen. Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich eines der wenigen Instrumente, die Kommunen haben, um das Ortsbild grüner zu gestalten. In den Satzungen kann zum Beispiel Art und Anzahl zu pflanzender Bäume vorgeschrieben werden, ferner die Verwendung wasserdurchlässiger Bodenbeläge (statt Beton oder Asphalt), aber auch die Begrünung von Flachdächern. Bodenversiegelung ist oft streng verboten, beispielsweise in Pullach (Kreis München), wo die Satzung erst seit Juni 2023 gilt. „Nicht zulässig sind Kiesgärten, Schottergärten und ähnliche Befestigungen“, heißt es darin.
Nun aber dies: Nach einer Regierungserklärung von Markus Söder (CSU) hat sich die Bayerische Staatskanzlei dem Bürokratieabbau verschrieben und hat ein „Erstes Modernisierungsgesetz Bayerns“ entworfen. Darin heißt es, Nr.5 von Artikel 81 Absatz 1 der Bayerischen Bauordnung werde aufgehoben. Darin ist just die Erlaubnis formuliert, dass Kommunen Satzungen für die Freiflächen erlassen. Alle Satzungen würden mit einem Schlag aufgehoben, neue wären nicht erlaubt.
Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet, die Anhörung der Verbände läuft. Der Brandbrief, den die Präsidenten von Gemeinde- und Städtetag an Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) mit Datum vom 8. Juli geschrieben haben, könnte kaum schärfer sein. Das Schreiben liegt unserer Zeitung vor.
Die Staatsregierung lasse „jegliches Gespür für Inhalt und Wirkung“ ihres Vorschlags vermissen, schreiben Uwe Brandl und Markus Pannermayr (beide CSU). Das Gesetz sei „völlig misslungen“. Mehr noch: „Inhaltlich wirken die Vorhaben völlig aus der Zeit gefallen und ignorieren die großen Themen unserer Zeit.“ Als da wären: Klimaanpassung, Biodiversitätskrise und Hitzestress in den Städten.
In die Kritik stimmt auch der Landesverein für Heimatpflege ein. „Wer legt denn zukünftig fest, dass bei Bauvorhaben standortgerechte, schattenspendende Großbäume gepflanzt werden“, fragt sich Vinzenz Dufter, Leiter der Abteilung „Haus und Siedlung“ beim Landesverein. Auch der preisgekrönte Architekt Florian Nagler, Vorstandsmitglied im Landesverein, kritisiert: „Die Maßnahme scheint mir wenig hilfreich, ja für viele städtebauliche Strukturen fast gefährlich zu sein.“
Fachlich zuständig ist in diesem Fall das bayerische Bau- und Verkehrsministerium. Die Satzungen „würden in der Tat außer Kraft gesetzt“, bestätigt ein Sprecher. Allerdings bestreitet er, dass ein „Freifahrschein für Schottergärten“ vorbereitet werde. Ein anderer Artikel in der Bauordnung Nummer 7, Absatz 2, Satz 2 – werde neu gefasst, Bodenversiegelung sei demnach künftig „möglichst zu vermeiden“. „Entfallen soll die Möglichkeit, im Detail vorzugeben, wie die Bepflanzung zu erfolgen hat.“ Die Verbände halten das indes für zu schwammig.
Im Feuer stehen weitere Änderungen, die die Entbürokratisierer vorschlagen: die Abschaffung der staatlich vorgeschriebenen Stellplatzpflicht und die Auflage, bei größeren Neubauten Spielplätze einzurichten. Wenn das so komme, so drohen Gemeinde- und Städtetag, würden sie jeder Kommune empfehlen, eigene Satzungen auch dafür zu schaffen. 2056 neue Spielplatz-Satzungen in Bayern – so viele Kommunen gibt es – wären kein Beitrag zur Entbürokratisierung. Die Präsidenten drohen sogar mit Verfassungsklage: Das Löschen Hunderter kommunaler Satzungen stelle „einen einmaligen Vorgang“ dar.