ZEITGESCHICHTE

„Katholisch sind und bleiben wir“

von Redaktion

Zur Korbiniansfeier vor 100 Jahren trumpfte Faulhabers Kirche auf

338 Seiten Katholizismus: Valentin Niedermeier mit dem Korbinians-Jubiläumsbuch.

Umzug in der Jubiläumswoche: Auch Kreuzritter zogen durch die Stadt.

Vorkämpfer des Katholizismus: Kardinal Faulhaber mit langer Schleppe, Abbildung aus der 338 Seiten starken Jubiläumsschrift zum Korbinians-Jubiläum. © Fotos/Repros: Markus Götzfried

Freising – Wer die Landesausstellung in Freising besucht, der kann sich ein wenig in eine sehr ferne Zeit vertiefen: Bayern im Frühmittelalter. Es war eine Zeit, da die wenigen Bewohner des Landstrichs zwischen Isar und Donau katholisch gemacht wurden – mutmaßlich von Korbinian, der als erster Freisinger Bischof um 724 hier seinen Bischofssitz gründete. Seitdem feiert die Kirche in jedem Jahrhundert das Korbinians-Jubiläum – mal mit mehr, mal mit weniger Pomp. Zum 1000-jährigen Bischofsjubiläum schmückten die Gebrüder Asam den Dom aus – mehr geht eigentlich nicht. 1824 war es etwas bescheidener, da hatte die Kirche gerade die Säkularisation überstanden. 1924, vor 100 Jahren, indes trumpfte der Katholizismus in der Region noch mal so richtig auf. Zur einwöchigen Jubelfeier vom 6. bis 13. Juli in Freising kamen Bischöfe aus dem In- und Ausland. Eine Woche war in Freising Ausnahmezustand.

Eine der raren Quellen zu diesem Jahrhundertereignis besitzt Valentin Niedermeier aus Wörth. Er hat ein Buch, gedruckt 1924 im Verlag des „Freisinger Tagblatts“, heute die Lokalausgabe des Münchner Merkur. „St. Korbinians-Jubiläum Freising 1924“ lautet der schlichte Titel. Auf 338 Seiten entfaltet sich die Pracht des damaligen Katholizismus. Niedermeier hat es aus dem Nachlass seines Onkels, der so hieß wie er und ein Teil der katholischen Welt war. Geboren 1916, wurde er nach dem Krieg 1946 von Michael von Faulhaber zum Priester geweiht, war Präfekt (Aufseher) im Knabenseminar und später Ruhestandspfarrer im Erdinger Holzland. Katholik durch und durch. Auf Faulhaber, dessen Tagebücher derzeit ediert werden (wir berichteten), ließ er nichts kommen. „Er war sehr enttäuscht, dass ich nicht wie er Pfarrer geworden bin“, erzählt Valentin Niedermeier. Der wurde lieber Sozialpädagoge.

Schon die Sprache im Buch atmet den Zeitgeist. Da „entfaltet sich in vollem liturgischen Glanz das Pontifikalamt“, da stehen „tief ergriffene Männer“ Spalier für ihre Bischöfe, da entfaltet sich ein „herrliches Farbenbild“: Gold und Grün der vor dem Dom aufgebaute Altar, purpurbehangen der Thron, leuchtendes Goldbrokat die liturgischen Gewänder, scharlachrot die Schleppen der Bischöfe – leider ist das Buch ein Schwarzweiß-Druck.

Doch trotz aller Pracht: Der Katholizismus, so wie ihn Faulhaber prägte, war damals auf Abwehrstellung. Aus Sicht eingefleischter Katholiken war kurz vorher – Krieg, Sturz der Monarchie, vor allem auch die verhasste Revolution – eine Welt untergegangen. Das zieht sich durch die Auftakt-Predigt Faulhabers zur Jubelwoche, die im Buch abgedruckt ist: „Die Gegenwart unseres Volkes offenbart Haß gegen Rom und die römisch-katholische Kirche“, warnte der Kardinal. Überall seien „Wunden und heillose Not“, „vergiftete Waffen des Hasses und der Lüge gegen die kirchliche Obrigkeit“. Und er witterte einen „Lügenfeldzug“ gegen die Kirche, ein „Verbrechen, das laut zum Himmel schreit“. Das werde er nicht zulassen: „Katholisch sind und bleiben wir.“ Von Sonntag bis Sonntag dauerte das Fest, jeder Tag war einer Gruppe gewidmet. Sonntag – „Tag der Männer und Jünglinge“, Montag – „Tag der Kinder“ („für die Mädchen Spiele mit Gesang und Reigen, für die Knaben Wanderung nach Weihenstephan“), Dienstag – Tag der Frauen. Und so weiter …

Im Buch, 338 Seiten dick, wird jeder Festtag bis aufs Kleinste beschrieben. Beim Kindertag stand der Kardinal, wenn man dem Glauben schenken darf, inmitten einer Kinderschar, die er mit Heiligenbildchen und Medaillons beschenkte. Jubel brandete auf „in rührenden lauten Hochrufen, welche schließlich dazu führten, daß sich alle Stimmen zu dem Liede ,Großer Gott, wir loben dich‘ vereinten“. Beim Tag der Frauen verließ der Erzbischof „begleitet von brausenden Hochrufen“ den Festsaal. Und am vierten Festtag („Tag der Landbevölkerung“) „strömte das in der Scholle wurzelnde, mit dem Glück segensreichen, alteingewohnten Glaubens durchdrungene Volk der Bauern in der Geburtsstadt der Diözese zusammen“. An allen Festtagen sprachen Bischöfe, sogar der Päpstliche Statthalter Pacelli, der spätere Papst Pius XII., kam nach Freising.

Zum Abschluss gab es dann eine Festprozession durch Freising, 60000 Schaulustige säumten die Straße. Dann war die Korbinianwoche vorbei – „ein Lichtpunkt in dunkler Zeit“, wie Faulhaber in einem Nachwort vermerkte.
DIRK WALTER

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