Die Wolfsjagd im Visier der Justiz

von Redaktion

Wann darf ein Wolf abgeschossen werden? Der Bund Naturschutz möchte die bayerische Verordnung dazu kippen. Am Dienstag findet die Gerichtsverhandlung statt. © Julian Stratenschulte/dpa

München – Seit gut einem Jahr gibt es die von der Staatsregierung erlassene Bayerische Wolfsverordnung. Das federführend vom Umweltministerium verantwortete Regelwerk erleichtert den Abschuss von Wölfen, etwa wenn sich ein Tier mehrere Tage in der Nähe von Siedlungen aufhält oder aber wenn es auf Almen ein Schaf reißt. Der Bund Naturschutz (BN) will Teile der Verordnung kippen. Dafür hat er vor dem Verwaltungs-Gerichtshof (VGH) eine Normenkontrollklage erhoben. Am Dienstag soll verhandelt werden.

Für Uwe Friedel, im Bund Naturschutz zuständig für den Artenschutz, sind Teile der Verordnung rechtswidrig. Er führt die angebliche Gefährdung des Menschen an, die einen Abschuss berechtigt, wenn sich der Wolf auf 200 Meter heranwagt. „Das ist absoluter Quatsch“, sagt Friedel, der sich nicht grundsätzlich gegen Abschüsse stemmt. Die gehören seiner Meinung nach zu einem guten Wolf-Management dazu. Präventiv aber sei ein Abschuss nicht möglich, weil damit auch unauffällige Tiere getroffen werden können und nicht unbedingt der Problem-Wolf getötet wird.

Der Bund Naturschutz setzt auf den Herdenschutz. Doch der ist für Friedel nur so lange sinnvoll, solange die Tiere nicht die Zäune überwinden. Wenn das passiere, müsse geschossen werden, um einen Lerneffekt zu verhindern, erklärt Friedel. Mit der Klage soll also erreicht werden, dass die Verordnung nicht den willkürlichen Abschuss von Wölfen umfasst, die für Menschen und Tiere nur subjektiv gefährlich erscheinen. Juristisch rügt der Bund Naturschutz formelle Fehler, insbesondere seine Nichtbeteiligung im Verfahren sowie andere Verstöße gegen das materielle, nationale und europäische Artenschutzrecht.

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs kommt den Naturschützern gerade recht. Nach dem Luxemburger Urteil sind die gut 100 Wölfe in Österreich geschützt, weil die Population sowohl national, auf örtlicher Ebene in Tirol wie auch grenzüberschreitend noch keinen „günstigen Erhaltungszustand“ hat (wir berichteten). BN-Chef Richard Mergner spricht gegenüber unserer Zeitung von einer „Grundsatz-Entscheidung“, die auch der bayerische VGH sicher registrieren werde. „Ich glaube schon, dass die Verordnung fallen wird.“

Das bayerische Umweltministerium wagt sich noch nicht aus der Deckung: Die Bewertung des VGH „bleibt abzuwarten“, so eine Sprecherin. Nach Einschätzung des Ministeriums stehe die Entscheidung des europäischen Gerichts jedenfalls „nicht im Widerspruch zur Bayerischen Wolfsverordnung“. Die Regierung stehe „an der Seite der Nutztierhalter und der Almwirtschaft“.

In Bayern gibt es weit weniger Wölfe als in der Alpenrepublik: Zehn Regionen mit standorttreuen Tieren nennt das Landesamt für Umwelt, darunter die Allgäuer Alpen, das Altmühltal und das westliche Staffelsee-Gebiet. Der Bund Naturschutz geht von derzeit sechs Rudeln aus, teilweise sind es aber auch nur Einzeltiere. Am Staffelsee zum Beispiel stammt der letzte Nachweis vom 1. Juni. Zuvor konnten im November 2023 drei Welpen gesichtet werden, was bedeutet, dass es mindestens ein standorttreues Wolfspaar in der Region gibt.

Der Klage gegen Bayerns Wolfsverordnung hat sich noch eine andere Umwelt-Organisation angeschlossen, die Wildfleck gUG. Sie ist momentan juristisch noch nicht anerkannt. Ob sie klageberechtigt ist, will der VGH in einem Vorverfahren klären.

Die Bayerische Wolfsverordnung war am 25. April vergangenen Jahres beschlossen worden. Sie sieht Erleichterungen für den Abschuss des streng geschützten Wolfes vor. Mit ihr wurde auch die Zuständigkeit von den Bezirksregierungen auf die Landratsämter verlagert. Dadurch soll schnelles und ortskundiges Reagieren ermöglicht werden.

Insgesamt wurden nach einer Übersicht des Österreichzentrums Bär Wolf Luchs seit dem vergangenen Jahr in der Alpenrepublik 20 Schad- und Risikowölfe geschossen. Anders in Bayern: Bisher wurde noch kein einziger Wolf aufgrund der umstrittenen Verordnung getötet.

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