So soll‘s sein: ein blühender Randstreifen am Straßenrand, zumindest ein Stück weit. Das Foto hat uns eine Leserin aus Fürstenfeldbruck geschickt.
Hoffen, dass es auf den Wiesen wieder brummt und summt: Zwei Teilnehmer einer Demo für das erfolgreiche Volksbegehren „Rettet die Bienen“ im Jahr 2019. © Sven Hoppe/dpa
München – „Rettet die Bienen“ – unter diesem Motto war das Volksbegehren zur Artenvielfalt vor fünf Jahren ein großer Erfolg. 1,7 Millionen Bürger unterschrieben. Doch die Umsetzung ist wohl ein Marathonlauf, wie gestern deutlich wurde. Quasi als Halbzeitbilanz veröffentlichten die damals federführenden Parteien und Umweltverbände ein Gutachten. Ein Team unter Prof. Roman Lenz von der Hochschule Nürtingen hat die damals beschlossenen Naturschutz-Maßnahmen bewertet. Es untersuchte zum Beispiel, ob es mehr Naturwald im Staatswald gibt, mehr ökologischen Landbau oder weniger Mahd schon im Frühjahr, um Insekten zu schonen.
Das Ergebnis: Von 32 Indikatoren sind nur neun im „grünen Bereich“. Sechs Indikatoren wurden „gelb“ klassifiziert (Ziele größtenteils erreicht), sechs „rot“ (Ziele verfehlt), betonte Lenz. Bei weiteren fünf Indikatoren würden zwar die Zielwerte erreicht, eine Einschätzung der Qualität stehe aber noch aus. Und bei einigen der Punkte sei eine abschließende Bewertung aufgrund mangelnder Daten leider immer noch nicht möglich.
Zu den schwierigsten Zielen zählt der Ökolandbau. 12,93 Prozent der Flächen werden ökologisch bewirtschaftet. Im Vergleich zum Vorjahr gebe es kaum Zuwachs, das Ziel, im Jahr 2025 bei 20 Prozent zu sein, werde „so nicht erreichbar sein“, sagte Lenz. In der Pressemitteilung wird Agnes Becker von der ÖDP, damals eine der „Rädelsführerinnen“ beim Volksbegehren, noch deutlicher: Bayern werde das Ziel „sehr wahrscheinlich krachend verfehlen“. Bayern sei mitnichten „Spitze“, wie es Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) immer wieder suggeriere, sagte Becker. Nach den nüchternen Zahlen des Statistischen Bundesamts rangiere der Freistaat nur auf Platz acht.
Auch die Bioquote beim Lebensmitteleinkauf der öffentlichen Hand sei enttäuschend. Das Gutachten sieht hier „große Notwendigkeit zur Verbesserung“. Vorbild sei – ausgerechnet – die Kantine des Agrarministeriums, wo die Bioquote 51 Prozent betrage. Das zeige, was möglich sei.
Als „bei den Landwirten relativ unbeliebt“ bewertet Lenz das Programm zur Förderung von fünf bis zehn Meter breiten Gewässerrandstreifen entlang von Bächen. Gezahlt würden nur „marginale Beiträge“. Als Indikator sind die Gewässerrandstreifen nur gelb markiert, zum Teil fehlen auch verlässliche Daten. Demgegenüber bezeichnet sie Umweltminister Thorsten Glauber (FW) als größten Erfolg bei den bayerischen Bemühungen, die Artenvielfalt zu stärken.
Selbst bei der Förderung von Streuobstwiesen, die Glauber immer wieder als Beleg für erfolgreichen staatlichen Naturschutz erwähnt, fällt die Bilanz gemischt aus. „Grün“ markiert ist, dass die Anlage von Streuobstwiesen finanziell gefördert wird. Das Kriterium „extensiv genutzte Streuobstwiesen“ erhält dagegen ein „rot“. Kaum voran geht es auch bei der Reduzierung des Pestizideinsatzes, wo unterschiedliche Lesarten bestehen: Für Becker ist die Giftigkeit der eingesetzten Pestizide entscheidend, nicht allein die eingesetzte Menge, die das Agrarministerium bewertet. Beim Biotopverbund sieht Glauber große Fortschritte. Das für 2023 gesetzte Zwischenziel einer Ausweitung der Verbünde auf zehn Prozent sei jetzt schon übererfüllt. Doch die Hochschule bemängelt die Datengrundlage.
Unbestritten gut ist die Förderung der „späten Mahd“. Seit 2019 haben sich die spät gemähten Flächen mehr als verdoppelt, lobt die Hochschule. Auch Naturwaldflächen im Staatswald nehmen zu – die Quote von zehn Prozent ist jetzt schon übertroffen. Kleinere Maßnahmen wie etwa die Abschaltung innerstädtischer Fassadenbeleuchtung ab 23 Uhr, um die Insekten zu schützen, werden von 70 der stichprobenartig befragten 80 Groß- und Kleinstädte praktiziert.
Der Grünen-Abgeordnete Ludwig Hartmann warnte davor, Artenschutz „herbeizurechnen“. „Wir haben einiges erreicht, wir sind aber noch nicht am Ziel“, bilanzierte der Vorsitzende des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz (LBV), Norbert Schäffer. Bayern habe in 40 Jahren die Hälfte aller Feldvögel verloren. Das sei kaum wiedergutzumachen. Er kritisierte am Rande auch das Vorhaben der Staatsregierung, Freiflächensatzungen der Kommunen zu streichen und so wieder Schottergärten in Privatgärten zu erlauben: „eine Katastrophe“.