DAS PORTRÄT

Im Bann der Bartgeier

von Redaktion

Christian Steiger aus Ramsau. © Kilian Pfeiffer

Christian Steiger hat in den vergangenen drei Jahren hunderte Stunden im Nationalpark Berchtesgaden verbracht – wegen der Bartgeier. Der Haustechniker fotografiert, filmt, beobachtet und ist Teil einer großen Community von Bartgeier-Fans, die in ganz Deutschland mitfiebern, was Wiggerl, Vinzenz und Co. so treiben.

Seit es in Berchtesgaden wieder Bartgeier gibt, verbringt Christian Steiger fast jede Minute seiner Freizeit im Nationalpark. Während er vor einigen Jahren noch nachmittags im Garten saß und dem Treiben am Vogelhaus zusah, geht der Ramsauer inzwischen auf den Berg zur Live-Beobachtung. Hoch zum Böslsteig mit bestem Ausblick auf die Kinderstube der Bartgeier, sagt er. Sechs, acht, zehn Stunden hockt er dann da oben und beobachtet seine Umgebung. Meistens immer vom selben Platz aus. „Dort ist es meistens absolut ruhig. Keine Menschen, nur die Natur, der Wind, Pflanzen und Tiere”, sagt er. „Das macht mir wahnsinnig viel Spaß und erdet mich.“ Eine Kreuzotter, die sich hinter seinem Rücken ihren Weg bahnte, sei ein Wahnsinnserlebnis gewesen. Die Zeit in der Natur habe ihn zu einem anderen Mensch gemacht. „Es beruhigt mich. Wenn ich da oben am Berg sitze, habe ich nur meine Brotzeit und einen Kaffee dabei. Da denkt man an nichts anderes.” Alle Sorgen lässt Christian Steiger im Tal.

Erwähnenswerte Erlebnisse hatte er in den vergangenen drei Jahren so viele, dass er gar nicht weiß, wo er anfangen soll zu berichten. Es sei einfach atemberaubend, wenn ein Bartgeier nur 20 Meter über dem eigenen Kopf an einem vorbeischwebt, schwärmt er. Die beeindruckende Flügelspannweite, die majestätische Erscheinung – „das hat was mit mir gemacht”. Einen fremden Bartgeier hat der 59-Jährige im Nationalpark Berchtesgaden auch schon gesichtet. Ein einziges Mal. Für die Experten bedeutete die Fremd-Sichtung einen großen Erfolg, sie ist der Beweis, dass die Wiederansiedlung erste Früchte trägt.

Mittlerweile engagiert sich Steiger auch ehrenamtlich beim Landesbund für Vogelschutz. Wenn er mal nicht bei den Bartgeiern ist, beobachtet er etwa den Flussläufer. Es gibt nur 90 bekannte Brutpaare in Bayern. Er kennt eine der wenigen Stellen. Innerhalb von nur ein paar Jahren hat er sich zwei Kameras gekauft. Er konnte nicht anders, sagt er. Er dreht damit kurze Tierfilme, die er auf YouTube hochlädt – für die vielen Bartgeier-Fans. Stundenlang sitzt er vor dem Computer, um die Videoschnipsel mit passender Musik zu hinterlegen. Denn Bartgeier-Fans gibt es deutschlandweit. Einige sitzen schon bei Sonnenaufgang vor dem PC, um den Bartgeiern Wiggerl und Vinzenz bei morgendlichen Streitigkeiten in ihrer Felsnische zuzusehen, berichtet Steiger. Mit Bartgeier-Dame Sisi pflegt Steiger ein besonderes Verhältnis. „Die glaubt wahrscheinlich, dass ich da oben schon zum Inventar gehöre, weil ich so oft da war”, sagt er und schmunzelt. 18 Mal hatten die beiden Blickkontakt, erzählt er. „Die ganze Sache mit den Vögeln ist mittlerweile zur Sucht geworden”, sagt er. Selbst im Winter stapft er manchmal in den Nationalpark, um Ausschau nach den Bartgeiern zu halten. Auch seinen Sommerurlaub will er ganz den Bartgeiern widmen und sie jeden Tag besuchen. Sein größter Traum: „Dass irgendwann ein ausgewachsener Bartgeier in die Halsgrube zurückkehrt.“
KILIAN PFEIFFER

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