Ein Fest für 3000 Helden

von Redaktion

Land unter: Reichertshofen im Kreis Pfaffenhofen war von dem Hochwasser besonders schwer betroffen. © dpa

Dankbarkeit von höchster Stelle: Markus Söder und Ilse Aigner hatten die Helfer ins Schloss eingeladen.

Sie waren beim Hochwasser tagelang im Einsatz: Philipp Nützel, Andreas Storr und Matthias Benkert (von links) vom BRK waren genau wie rund 3000 weitere Fluthelfer ins Schloss Schleißheim eingeladen. © Jens Hartmann (2)

München – Neulich hat Matthias Benkert einen Familienausflug nach Günzburg gemacht, seine Kinder wollten ins Legoland. Benkert hat sich kurz ausgeklinkt – um in eine Siedlung zurückzukehren, von der vor ein paar Wochen nur noch die Hausdächer aus der Luft zu sehen waren. Der Rest stand unter Wasser. Der 39-Jährige ist Air-Rescue-Spezialist beim Bayerischen Roten Kreuz. Gemeinsam mit seinem Kollegen Philipp Nützel ist er tagelang die Hochwassergebiete abgeflogen und hat Menschen vor den Wassermassen gerettet.

Es waren emotionale Momente, an viele der Menschen hat Benkert noch oft gedacht. Besonders an eine Familie. Der Vater stand damals auf dem Balkon und winkte den Hubschrauber her, Benkert und Nützel seilten sich ab, folgten ihm ins Haus. Drinnen stand die Mutter, an sie drängten sich zwei verängstigte kleine Kinder. Auf ihrem Arm hatte sie ein Baby, das erst eine Woche alt war. Das Wasser war in ihrem Haus so schnell gestiegen, dass sie sich nicht mehr retten konnten. Benkert und Nützel brachten die Familie per Hubschrauber in eine Notunterkunft. „Ich wollte nachfragen, wie es der Familie heute geht“, sagt Benkert. Sprechen konnte er nur die Nachbarn. Sie berichteten ihm, dass einiges im Haus zu retten gewesen war. Benkert ließ der Familie Grüße ausrichten. „Ich bin froh, dass sie nicht alles verloren haben.“

Manchmal kommt die Gänsehaut erst nach den Einsätzen, sagt Benkert und Philipp Nützel nickt. Auch der 27-Jährige hat noch häufig an die Familien gedacht, die von jetzt auf gleich alles verloren haben. Die beiden sind zwei von 3000 Fluthelfern, die gestern zu einem Empfang ins Schloss Schleißheim eingeladen waren – stellvertretend für alle 85 000 Einsatzkräfte von THW, Feuerwehr, Bundeswehr und den Hilfsorganisationen, die während der Flut Anfang Juni tagelang im Dauereinsatz waren. Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Ministerpräsident Markus Söder bedankten sich bei ihnen für ihr großes Engagement. Ein schönes Zeichen der Wertschätzung, finden die Luftretter Benkert und Nützel. „Ich bin stolz auf das, was wir im Team in diesen Tagen geleistet haben“, sagt Benkert. „Wir sind eine schlagkräftige Truppe, jeder kann sich auf den anderen verlassen.“

Auch Andreas Storr aus Meitingen bei Augsburg steht an diesem Abend im Schlossgarten, hört die lobenden Worte des Ministerpräsidenten und ist stolz auf das, was er und sein Team geleistet haben. Der 37-Jährige ist Bereichsleiter und hat mit rund 30 Ehrenamtlichen vier Tage lang für die Einsatzkräfte gekocht. Das waren mal 40 Kilo Nudeln, mal 80 Liter Chili, sogar Schweinsbraten haben sie den Helfern aufgetischt, wenn die stundenlang Sandsäcke gefüllt und geschleppt oder Wasser abgepumpt hatten. „Insgesamt haben wir in diesen Tagen 1,3 Tonnen Lebensmittel eingekauft und verkocht“, sagt er. Jeden Tag drei Mahlzeiten – und das mit viel Liebe. „Gutes Essen ist wichtig für die Stimmung“, betont Storr. „Besonders, wenn man tagelang harte körperliche Arbeit leisten muss.“ Was er und sein Team dafür getan haben, war ebenfalls ein Knochenjob, als Koordinator stand Storr tagelang unter Strom. Auch er freut sich darüber, dass die Politik das mit diesem Empfang wertschätzt. „Aber noch mehr bedeutet uns der Dank, den wir direkt von den Bürgern bekommen haben“, sagt er. „Es ist schön, dass sie sehen, was wir leisten und dass sie sich auf uns verlassen können.“

Auch Karsten Thiel hat viel Dank gehört, während und nachdem er in der THW-Einsatzzentrale in Dachau bei der Koordination im Krisenstab mitgeholfen hat. „Menschen rücken in der Not zusammen“, sagt der 45-Jährige. Das erlebt er immer wieder, seit er vor 25 Jahren dem THW beigetreten ist. Schon bei den Hochwasser-Katastrophen in Dresden und im Ahrtal war er als Helfer im Einsatz. Beim Hochwasser im Juni wurde er Samstagfrüh kurz vor 6 alarmiert. „Die erste Pause gab es in der Nacht auf Montag, gegen 2 bin ich kurz für ein paar Stunden Schlaf nach Hause gefahren“, erzählt er.

Im Landkreis Dachau mussten etliche Häuser evakuiert werden, unter anderem eine Flüchtlingsunterkunft, außerdem wurden viele Kräfte zum Sandsäckefüllen und Wasserabpumpen gebraucht. „Keiner macht so was für Ehrungen“, sagt Thiel. „Ehrenamt lebt von guten Gefühl, dass man anderen helfen konnte.“ Trotzdem freute sich natürlich auch Thiel, als er die Einladung zu dem Empfang erhielt. „Die größte Wertschätzung von Seiten der Politik wär es aber, wenn sie Geld investiert, damit wir diese Hilfe weiterhin leisten können“, betont er. „Denn Einsätze wie die im Juni wird es wohl immer häufiger geben.“

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