Kürzlich zitierte der mir Angetraute: „Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne / Und an das Wunder niemals ganz gewöhne. / Dass alles so erstaunlich bleibt, und neu! / Ich freu mich, dass ich … dass ich mich freu.“ Die Zeilen stammen von der deutsch-jüdischen Literatin Mascha Kaléko, deren brillante Werke von den Nationalsozialisten als „schädlich und unerwünscht“ disqualifiziert wurden. Mascha Kaléko musste 1938 mit ihrer jüdischen Familie in die USA emigrieren.
Ihr Gedicht „Sozusagen grundlos vergnügt“, aus dem die zitierten Worte stammen, hat – natürlich – Tiefgang, auch wenn es leichtfüßig und wie verliebt in die Natur daherkommt. Denn wer sich an das Schöne, an das Wunder niemals ganz gewöhnt, ist dankbar dafür. Zu dem Erfreulichen, das Mascha Kaléko beschreibt, gehört vieles: Sonne, Mond und Sterne, Wolken, Regen, Tiere, Pflanzen. Sie bezieht sich auch auf das Dasein als Mensch, auf das Miteinander, die Lebensmöglichkeiten.
Am 20. Juli vor 80 Jahren, sechs Jahre, nachdem Mascha Kaléko das Land verlassen musste, scheiterte das Attentat auf Adolf Hitler. Diejenigen, die für das Leben in seiner bunten Vielfalt dankbar waren, die Achtung und Respekt vor anderen Menschen kultivierten, die all das Schöne und das Wunder für ihr Land erhalten wollten, sie hatten den Umsturzversuch gewagt. Sie konnten die hässliche Unmenschlichkeit des Nazi-Regimes nicht mehr ertragen.
Bewegt von ihrem Wertesystem, auch von ihrem Glauben, haben sie Nein zur Barbarei gesagt – und waren bereit, mit ihrem eigenen Leben dafür zu bezahlen. Wer sich mit der Geschichte des Widerstandes beschäftigt, weiß, dass dahinter kein selbstherrliches Sendungsbewusstsein steckt. Die Männer und Frauen des 20. Juli mussten die politische Situation vor dem Hintergrund ihrer eigenen Traditionen und Überzeugungen überprüfen.
In Demut haben sie versucht, dem Schönen und dem Wunder wieder Raum zu geben in Deutschland. Das ist damals gescheitert. Die bitteren Folgen haben sie und ihre Familien getragen – und tun es in und mit ihren Biografien bis heute. Der Mut der Widerstandskämpfer verdient größten Respekt. Und ein Innehalten in unserem demokratischen Rechtsstaat. Könnten wir uns vielleicht wieder mehr freuen am Schönen der Freiheit und uns an das Wunder des Friedens niemals ganz gewöhnen?
Müde Gewöhnung ist der Tod jeder Leidenschaft – auch der für Land und Leute. Die Liebe dagegen lebt, wenn einem alles so erstaunlich bleibt, und neu!