Jungkoch Noah Hansen steht in der Küche des Gasthofs Alpenrose am Samerberg. In den Sozialen Netzwerken gibt er Kochtipps, seine Videos dreht er hier. © Privat
Samerberg – Noah Hansen muss seinen Kochlöffel aus der Hand legen. Gäste im Gasthof Alpenrose am Samerberg haben mal wieder nach ihm gefragt. „Immer mehr Leid bitten mi sogar um Autogramme“, erzählt der 20-jährige Koch und muss lachen, weil er so gar nicht fassen kann, was da eigentlich gerade passiert. Ganz unschuldig ist er aber ja nicht am Ruhm, der ihn ereilt. Immerhin bringt er in den Sozialen Netzwerken inzwischen tausende Menschen zum Lachen – und an den Herd. Denn als „quinoah.k“ veröffentlicht er auf Instagram Rezepte für Klassiker wie Schweinsbraten, Saures Lüngerl & Co.
In seinen Videos grinst Hansen frech in die Kamera, wenn er zeigt, wie er Blaukraut mariniert oder den perfekt rosa gegarten Rehrücken schneidet. Einen kecken Spruch auf Bairisch hat die „schwarze Perle aus Bayern“, wie er sich selbst nennt, immer auf den Lippen. „Das erste Video is ganz spontan entstanden – mei Chef hod einfach draufgehalten, als i a Lüngerl kocht hob“, erzählt er. „Und dann hob i dacht, mei Handy spinnt, weil si des Video auf Instagram fast eine Million Leid ogschaut ham.“ Ein technischer Fehler war das nicht. „Des war scho krass.“
Krass findet Hansen auch, dass er heute Abend den bayerischen Finanzminister Albert Füracker treffen wird – und von ihm als Ehrengast in die Residenz München geladen worden ist. Als einer von zehn Menschen und Vereinen aus dem ganzen Freistaat wird dem 20-Jährigen dort der Dialektpreis verliehen. Dialekt ist das kulturelle Erbe Bayerns, teilt das Finanzministerium mit, und all die Preisträger pflegen ihre Mundart und stärken, ja erhalten sie so. Auch, weil sie sie mit anderen teilen.
Dialekt ist auch Identität. „Und i bin Bayer durch und durch“, sagt Noah Hansen, der in Edling bei Wasserburg aufgewachsen ist. „In der Alpenrose werd Boarisch gred, dahoam bei der Familie a.“ Und am derbsten wird beim Schafkopfen gefotzelt. „I kriag an Flipper, Oida!“, schreit Hansen da wohl das ein oder andere Mal. „Frei übersetzt hoaßt des, dass ma ausrasten mecht“, erklärt er.
Fans kennen den Spruch aus seinen vielen Videos nur allzu gut. Wie den Gruß „Habedenz Prominenz“ – Hansens Markenzeichen und ganz eigene Variante von „Habe die Ehre“.
Ein höfliches „Grüß Gott“ auf Bairisch konnte Hansen dagegen in der Realität schon öfter helfen. „Daheim in Edling, als Noah und seine Schwester noch Kinder waren, hatten wir zum Glück nie mit Rassismus zu kämpfen. Die Hautfarbe war kein Thema“, erinnert sich Hansens Mutter Barbara. 2004 hatten sie und ihr Mann Jürgen die zwei Kinder aus einem Waisenhaus in Kenia adoptiert, der Bub war damals acht Monate alt. „Aber seit der Jugend machen die beiden öfter die Erfahrung und werden im Zug, an öffentlichen Plätzen oder beim Autofahren nach ihrem Ausweis gefragt.“ Noah Hansen nimmt die Kontrollen gelassen: „Sobald i den Mund aufmach, is ja ois okay.“
„Schwarze Perle“, „heiße Schokolade“ oder „verbranntes Toast“ – so bezeichnet sich Noah Hansen mit Blick auf seine Hautfarbe oft selbst in seinen Videos. Seine Eltern, beide Lehrer, sehen das zwar ungern, reden ihm aber nicht rein. „Uns ist es vor allem wichtig, dass er sich rassistische Kommentare nicht zu Herzen nimmt“, sagt Barbara Hansen. „Und der Humor hilft ihm – und übrigens unserer ganzen Familie – so was wegzustecken.“ Das N-Wort hört und liest der Jungkoch in Nachrichten und Kommentaren auf Instagram oft. „Das ist kein Spaß, da drücke ich sofort auf Löschen“, sagt er.
Seine Fans, so glaubt Noah Hansen, mögen seine Videos vor allem wegen seiner lockeren Art. „Weil i frei Schnauze und auf Boarisch daherred.“ Also hat der 20-Jährige auch noch keine Ambitionen, sich mit Manager und Social-Media-Team selbstständig zu machen. „I bleib der Alpenrose auf jeden Fall erhalten und hob des Ziel, no mein Küchenmeister zu machen“, sagt er. Mama, Papa, sein kleiner Bruder Timo oder Chef Florian Lerche stehen hinter der Kamera – und Hansen selbst schneidet seine Videos in der Freizeit. Wenn alle Gäste der Alpenrose sich mit vollem Magen – und vielleicht auch einem Autogramm – vom Samerberg verabschiedet haben.
Den Dialektpreis
verleiht der Bayerische Finanzminister jedes Jahr. In der Kategorie Jugend wird heute Abend neben Noah Hansen auch Anna Neubauer aus Fürth ausgezeichnet. Den Bayerischen Dialektpreis erhalten BR-Heimat-Chef Stefan Frühbeis aus München, Kabarettist Mathias Kellner aus Straubing, Autorin Grete Pickl aus dem Kreis Amberg-Sulzbach, Hilde Ruß vom Theater in Hallstadt, die drei Brüder Georg, Heiner und Johannes von der Kapelle Bomhard aus dem Kreis Ansbach, Thomas Schönhoff vom Isargebirgsmuseum in Kaufbeuren sowie die Dialektgruppe des Männergesangsvereins 1906 Erlabrunn aus Würzburg und der Schwäbische Dialektkurs für Ärzte an den Kliniken Mindelheim und Ottobeuren im Unterallgäu.