Urlaubsgefühle und Kaffee bieten Katrin Richter und ihre Mitarbeiterin Kathrin Greyling in der Kaffeerösterei Dinzler an.
Im FC-Bayern-Store zeigt Managerin Michaela Scharbmayr die Verkaufsschlager, Maskottchen Berni und das Reisekissen.
Im Hotel-Gasthof Kramerwirt kümmern sich Josef und Maria Widmann um die Urlauber auf der Durchfahrt.
Verschnaufpause mit Bergblick: Nach ihrem Urlaub in Kroatien machen Peter, Jule und Iris (v.r.) am Irschenberg an der A8 Rast. Den Heimweg nach Holland wollte die Familie antreten, bevor die Bayern in die Ferien fahren. © Thomas Plettenberg (4)
Irschenberg – Den letzten Bergblick wollen sich Peter, Iris und ihre Tochter Jule nicht entgehen lassen. Die Familie aus den Niederlanden macht an der A8 am Irschenberg halt. „Wegen der schönen Aussicht.“ Immerhin haben sie auf der Rückfahrt aus Kroatien schon gut 500 Kilometer im Auto verbracht. „705 Kilometer sind es noch, bis wir daheim in Heerlen ankommen“, sagt Peter und packt den Kofferraum um. Iris hat gerade noch Käse und Bier als Mitbringsel eingekauft.
Nach zehn Tagen am Meer dauert die Heimfahrt jetzt zwei Tage. „Jule schaut die meiste Zeit in einen Bildschirm“, sagt Iris, erinnert sich aber noch an Zeiten, als ihrer Tochter auf so langen Fahrten unendlich langweilig war. Das kennt jede Familie. Genau wie die qualvolle Frage „Wann sind wir da?“. Am Irschenberg im Kreis Miesbach aber, so scheint es, stellt man sich dieser Herausforderung. Langweilig wird‘s hier in keinem der Betriebe, die die Urlauber umsorgen.
Denn hier, wo die A8 Richtung Salzburg erste Hügel erklimmt, kommt zum Start der Sommerferien wieder ganz Europa vorbei. Bis zu 160 000 Fahrzeuge hat die zuständige Autobahnmeisterei Holzkirchen am Irschenberg am ersten Feriensamstag schon mal gezählt. Der Verkehr ist dicht. Deutsche, Holländer, Dänen, Belgier, Spanier und viele Autos mit osteuropäischen Kennzeichen schlängeln sich über den Berg. Die einen reisen heim, die anderen zieht es in den Süden.
Wer auf der rechten Spur hinter den vielen Lastern und Wohnanhängern hängt, braucht Geduld. Die keuchen den Irschenberg mit seinen sieben Prozent Steigung ziemlich hinauf. Radarfallen wachen über Recht und Ordnung, denn Unfälle und Pannen gibt es am dreispurigen Nadelöhr viele.
700 Meter von der Ausfahrt entfernt ist die Tankstelle i-Tank Waldschütz für alle Urlauber-Bedürfnisse gewappnet. „Steckerleis ist ein Klassiker, um Kinder bei Laune zu halten“, erklärt Theresia Mühlpointner (42), seit 20 Jahren Chefin der Tankstelle, die an 365 Tagen 24 Stunden lang geöffnet hat. Auch Polsterreiniger gibt‘s zu kaufen. Falls was daneben geht. Sowie ein Regal voller Kinderzeitschriften und bunter Wundertüten für Prinzessinnen und Playmobil-Fans.
Eine Mutter kauft ihrem Vierjährigen eine kleine Wasserpistole. „Aber nicht im Auto“, sagt sie, muss dann das neue Spielzeug aber doch noch vor Abfahrt im Waschraum laden. „Wir merken, dass auf dem Weg in den Urlaub das Geld locker sitzt“, sagt Mühlpointner. „Durchschnaufen können die Mitarbeiter grad in keiner der drei Schichten.“ Auf den Toiletten, im Bistro, an den Zapfsäulen und Tesla-Ladestationen herrscht Hochbetrieb. Im Eifer der Urlaubsvorfreude geschehen auch Missgeschicke. „Kinder sind noch nicht vergessen worden, aber mal ein Hund“, erzählt Mühlpointner. „Und ein Wohnanhänger.“ Ein Happy End gab‘s in beiden Fällen. „Ich will keinen anderen Job haben. Hier wird‘s einem nicht langweilig.“
Mit diesem Motto schauen auch Josef und Maria Widmann vom Hotel und Gasthof Kramerwirt auf den bayerischen Ferienbeginn. „Bei uns ist von Pfingsten bis Kirchweih Hochsaison“, sagt Josef Widmann (43), der mit dem Fremdenverkehr an der A8 aufgewachsen ist. „Meine Großeltern haben unser Haus 1949 eröffnet und erste Gästezimmer angeboten, als auf der Autobahn immer mehr Autos unterwegs waren.“ Heute beschäftigt er 23 Mitarbeiter fürs Gasthaus und die 37 Zimmer und hat viele norddeutsche, holländische und belgische Stammgäste, die sich für eine Nacht auf der Durchreise einbuchen.
Wer mit Menschen arbeitet, hat mit geballten Emotionen zu tun. Ein Kunde hat den Widmanns zuletzt intensive Sonder-Behandlung abverlangt. „Der kleine Bub war tieftraurig, weil er sein Stoffviecherl bei uns vergessen hatte. Also haben wir auf Bitte der Eltern mit ihm telefoniert. Wir haben ihm sogar den Speiseplan fürs Kuscheltier vorgelesen.“ Nach einer Woche in Italien waren Kind und Stofftier wieder vereint – in der Herberge von Maria und Josef am Irschenberg.
Pilgerstätten gibt es am Irschenberg mehrere. Ein McDonald‘s thront auf der Bergkuppel und nebenan gehen Fußball-Fans auf Wallfahrt. Solche FC-Bayern-Stores gibt‘s nur an hochtouristischen Orten. Am Flughafen, neben dem Hofbräuhaus – und eben am Irschenberg. „Der Standort wurde gezielt gewählt“, sagt Michaela Scharbmayr (49), während sie an vier großen Apparaten Trikots auf Kundenwunsch bedruckt. „Die meisten Kunden haben den Besuch hier auf ihrer Reiseroute fest eingeplant und sich schon lang darauf gefreut.“ Ihr Einkaufsbummel dauert teils über eine Stunde. Neben Trikots sind Maskottchen Berni als Kuscheltier und Reisekissen in FCB-Farben Verkaufsschlager, weiß Scharbmayr, die seit zehn Jahren dort Managerin ist, wo sich FCB-Fans wie im Himmel fühlen.
Der tut sich auch für alle auf, die auf der Terrasse der Kaffeerösterei Dinzler Espresso trinken. Der Blick reicht über grüne Hügel bis in die Alpen. Hier fühlt sich der Irschenberg fast wie der Brenner an. „Bis zu 80 Prozent unserer Gäste stammen aus der Region“, sagt Katrin Richter (40), die den Familienbetrieb mitführt. „Zur Ferienzeit aber kommen gut 40 Prozent von außerhalb.“
„Ich habe schon mit 16 Jahren viele Äpfel für die Kuchen geschält und in der Backstube geholfen, als meine Eltern den ersten Betrieb in Rosenheim eröffnet haben“, erzählt Richter. 2011 kam dann der Kaffee-Tempel mit 400 Sitzplätzen am Irschenberg dazu. Die Arbeitsmoral ist unverändert. „In den nächsten Wochen herrscht Hochbetrieb, sodass wir unser Personal zwar durch Studenten aufstocken, wir und unsere Angestellten aus der Verwaltung aber auch mal mit Tische abräumen, wenn‘s brennt.“ Lob gibt‘s dafür vom Gast: „Wir hören oft, dass bei dem Bergblick sofort Urlaubsgefühle aufkommen.“ Der Irschenberg, das Tor zur Erholung.