Eine Orgel rockt das Internet

von Redaktion

Kirchenmusiker Alexander Uhl spielt moderne Songs

Die Orgel kann mehr als Kirchenmusik: Alexander Uhl spielt damit ein breites Repertoire und postet die Songs im Internet. © kna

Weißenburg – Einen Ordner voller Noten, sein Tablet, sein Handy und natürlich eine Orgel: Mehr braucht Alexander Uhl nicht, um seine Clips auf Social-Media-Kanälen zu posten. Der nebenberufliche Kirchenmusiker aus Pleinfeld in Mittelfranken spielt seit knapp anderthalb Jahren moderne Lieder auf der Kirchenorgel ein und lädt die Aufnahmen bei TikTok hoch, seit April auch bei Instagram. Guns ‘n Roses, Udo Jürgens, Queen, Mickey Krause – sein Repertoire ist inzwischen breit gefächert. Zu Hits aus Pop, Rock und Schlager kommen Titelmelodien von Kinderserien wie der Gummibärenbande und der Sendung mit der Maus. Was er genau spielt, überlässt Uhl seinem Bauchgefühl. Gut möglich, dass demnächst auch Sounds von Computerspielen dazukommen.

Angefangen hat alles im April 2023. Auf Anregung seiner Kinder lud Uhl ein Faschingsmedley, das er auf der Orgel gespielt hatte, auf TikTok hoch. Schon das habe Aufmerksamkeit gebracht, erzählt er. Weitermachen war da keine schwere Entscheidung mehr. Anfangs hätten einige geglaubt, die Faszination sei nach wenigen Wochen wieder vorbei. Von wegen.

2023 wurden seine Videos mehr als zwölf Millionen Mal aufgerufen. Künstler, deren Stücke er spielt, teilen seine Clips, schreiben ihm Nachrichten. Selbst aus dem fernen Australien erhält er Zuschriften. Und weil er mit dem Antworten gar nicht mehr hinterherkommt, kümmert sich das Dekanat mittlerweile darum, Kontaktanfragen auf seiner Homepage zu beantworten.

Dabei gibt es für das, was Uhl macht, nicht mal richtige Noten. Kein Verlag hat die Songs bisher für Interpretationen auf einer Orgel umgesetzt. Fragen ihn Kollegen nach seinem Material, muss er passen. Der Pleinfelder sucht sich die Harmonien selber heraus, spielt die Melodie nach oder greift auf Klaviernoten zurück. Er ist selbst gespannt, wann die Verlage diese Marktlücke entdecken und wenigstens bei gefragten Titeln schließen.

„Losing my religion“ oder „Whiskey in the jar“ auf einer Kirchenorgel – das Programm zieht nicht mehr nur im Internet. Im benachbarten Weißenburg, wo Uhl seine Videos einspielt, gibt er mittlerweile auch Konzerte. Dazu wird die Heilig-Kreuz-Kirche abgedunkelt und nur von bunten Lichtakzenten erhellt. „Manchmal mussten wir noch Bierbänke dazustellen“, erzählt er. Zusätzlich verfolgten teils über 50 000 Zuschauer die Konzertstreams im Internet.

Besonders freut es ihn, wenn zu seinen Konzerten Menschen kommen, die mit einem Gottesdienst nichts anfangen können oder sogar aus der Kirche ausgetreten sind. „Ich kann niemanden überzeugen, gläubig zu werden“, sagt er. Doch das Feedback ist positiv: „Wenn die Leute sagen: Sie haben mich mitten ins Herz getroffen.“ Gerade die Songs aus den 80er- und 90er-Jahren kämen gut an. „Die Menschen, die damit aufgewachsen sind, das ist genau die Generation, die der Kirche fehlt.“

Uhl glaubt, dass die Konzerte auch deshalb so erfolgreich sind, weil die Kirche gerade nicht im Zentrum stehe, sondern das Instrument. Das könne durchaus Vorbildcharakter haben, findet er. Dennoch verzichtet auch er nicht auf kurze, geistliche Impulse des örtlichen Dekans. Die Kombination aus Musik und Kurztext wird auch gepostet. Dass die „Königin der Instrumente“ weit mehr draufhat als Klassik und Kirchenlieder, ist für Uhl auch ein Weg, wieder mehr Menschen für die Orgel zu begeistern. „Wir haben einen großen Organistenmangel. Das ist ein riesiges Problem.“
HANNAH KREWER

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