Felsbrocken erschlägt Wanderer

von Redaktion

Nach einem Murenabgang ist die Arlbergstraße auch am Donnerstag immer wieder gesperrt. © Christian Gantner/Facebook

Schwierige Bergungsaktion: Der Wanderweg, auf dem das Paar unterwegs war, liegt in einem abschüssigen Waldstück. © FFW

Oberstdorf – Erst am Tag nach dem dramatischen Einsatz kommt Peter Vogler ein wenig zum Durchschnaufen. Vogler ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Oberstdorf im Allgäu, und was er und seine Kameraden von Mittwoch auf Donnerstag bewältigen mussten, war dramatisch. „Da fehlen einem die Worte“, sagt der Ehrenamtliche.

Am frühen Mittwochabend, gegen 17.40 Uhr, geht bei der Integrierten Rettungsleitstelle ein Notruf ein. Zu der Zeit tobt schon ein Unwetter in der Region. Die Meldung: Auf einem Wanderweg im Fellhorngebiet ist durch den Sturm und den Regen ein Baum umgestürzt. Zwei Wanderer, ein 37-Jähriger und seine 38 Jahre alte Frau, sind zu diesem Zeitpunkt gerade auf dem Rückweg vom Fellhorn (2037 Meter) zum Parkplatz an der Bahn. Der Weg durch das Stillachtal ist offiziell gekennzeichnet und wird regelmäßig von vielen Wanderern genutzt. Doch dann geschieht die Katastrophe: „Eine sehr unglückliche Verkettung von Umständen“, sagt ein Polizeisprecher.

Das Paar, über dessen Herkunft die Polizei keine weiteren Angaben macht, hat schon einen großen Teil der Strecke geschafft. Auf etwa 1000 Metern, ungefähr auf Höhe des Berggasthofs Laiter, stürzt ein wuchtiger Baum um. Die Wanderer können gerade noch ausweichen. Doch durch die Entwurzelung löst sich ein fünf bis sechs Tonnen schwerer Felsbrocken. Er rollt auf das Paar zu – und begräbt den 37-Jährigen unter sich. Seine Begleiterin muss das Drama mitansehen, bleibt selbst aber unversehrt. Auch eine Frau, die zufällig vorbeikommt, wird nicht verletzt.

Unklar ist, wer den Notruf absetzt. Sofort machen sich die Einsatzkräfte auf den Weg, Feuerwehrkommandant Vogler schätzt, dass sein Team zehn bis 15 Minuten später schon in der Nähe der Unglücksstelle ist. Das Gewitter ist zu dem Zeitpunkt bereits vorbeigezogen – doch das nächste rollt schon an. Die Einsatzkräfte von Feuerwehr, Bergwacht und Polizei versuchen, so nah wie möglich an den Unfallort heranzukommen. Für einen Hubschrauber ist das Wetter zu schlecht, der Wanderweg, auf dem das Paar unterwegs war, ist schmal, steinig, voller Wurzeln – laut Vogler könnte nicht einmal ein Quad passieren.

Deshalb müssen die Einsatzkräfte das schwere Rettungsgerät von einer Stelle oberhalb über steile Wiesen und Skipisten zu dem Felsbrocken schleppen, unter anderem Rettungsscheren und ein Hebekissen. Damit können sie den Stein so weit anheben, dass sie den Körper des Wanderers bergen können. Das alles geht trotz erschwerter Bedingungen sehr schnell. Doch für den 37-Jährigen kommt jede Hilfe zu spät.

Ein Kriseninterventionsteam kümmert sich noch am Berg um die schockierte Angehörige. Die Einsatzkräfte tragen den Leichnam auf einer Trage ein Stück bergauf, von dort aus kann er ins Tal transportiert werden. Eilig packen sie die Ausrüstung zusammen, das nächste Gewitter legt schon los. Gerade noch rechtzeitig erreichen die Retter das Tal.

Warum waren die Wanderer trotz einer Unwetterwarnung des Wetterdienstes in den Bergen unterwegs? Das ist unklar. Ein Polizeisprecher sagt am Tag nach dem Unglück, dass den Wanderern kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. „Darauf kann man sich auch nicht mit Ausrüstung vorbereiten.“ Es gebe auch kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Möglicherweise werde aber der Weg überprüft. In der Gegend komme es auf keinen Fall regelmäßig zu Felsstürzen. Durch die starken Regenfälle in diesem Jahr können Steine aber unterspült und instabil werden.

Die starken Gewitter treffen die Region am Mittwochabend heftig. Deshalb müssen Kommandant Vogler und seine Kameraden auch gleich nach dem Einsatz weiter. Die belastenden Erlebnisse müssen sie erst einmal verdrängen. Zahlreiche Muren sind abgegangen, Straßen blockiert, alles voller Schlamm und Geröll. „So schlimm war es heuer noch nie“, sagt er. „Wir haben massivste Schäden in der Natur.“

Auch im Nachbarland Österreich gehen in der Nacht Gesteins- und Schlammlawinen ab. Die Arlbergstraße bei Stuben, eine wichtige Verbindung über den Arlberg im westlichen Österreich, ist zwischenzeitlich unterbrochen, sie wurde am Donnerstagvormittag wieder für den Verkehr freigegeben, dann aber wieder gesperrt. Eine weitere Mure ging über dem Passürtunnel ab, der auf einer Länge von rund 100 Metern 1,5 Meter hoch mit Schlamm und Steinen gefüllt wurde. Es wurden keine Fahrzeuge oder Menschen verschüttet. Die Aufräumarbeiten laufen, auf den Umfahrungen bildeten sich lange Staus.

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