KOLUMNE

Mitten im Grünen

von Redaktion

Ich eile zum Friseur in unserem Stadtviertel. Es ist eigentlich eine Friseurin, Sabine, die zusammen mit ihrer Mutter und zwei weiteren Scherenkünstlern für den Schick auf Köpfen in der Maxvorstadt sorgt. Mein Weg dorthin führt über einen baumbestandenen Kirchplatz mit Kopfsteinpflaster in eine Straße, die nach einem bayerischen Rechtswissenschaftler aus dem 18. Jahrhundert benannt ist. In dieser Straße stehen einige alte Häuser, dazu hässliche Betonklötze aus den 60er-Jahren und manch nichtssagendes Mietshaus.

Es gibt eine Polsterei, einen Bäcker, ein klitzekleines Café und eine traditionelle Kneipe mit Schanigarten, ein Kampfsportstudio und eines, um Gymnastik zu betreiben. Man findet einen Geigenbauer, eine Korbflechterei und einen Laden, der Bio-Hundefutter vertreibt. Der Pizza-Pasta-Burger-Lieferservice wartet auf Aufträge, ein Büro für Bildungsberatung und die Agentur für Illustration harren potenzieller Kunden. Das ist alles recht nett. Aber anlässlich meines erwähnten Friseurbesuchs stutzte ich. Die ganze Straße ist in Grün getaucht. Überall Bäume, wo vorher keine waren.

Die Bäume, die in Töpfen stehen, sie tragen Schilder, die mit einem fröhlichen „Servus“ darüber informieren, dass sie „Wanderbäume“ sind, die im Stadtgebiet umherziehen und Straßen in grüne Alleen auf Zeit verwandeln. Dafür sorgt seit 32 Jahren der vielfach ausgezeichnete Verein Green City, eine der größten Umweltorganisationen Münchens. Seine Mitarbeitenden und die vielen Ehrenamtlichen denken sich beständig neue, muntere Mitmach-Projekte aus, um die Isarmetropole freundlicher, lebenswerter und zukunftsfähig zu gestalten.

Ich bin wirklich keine Freundin moralinsaurer Umweltpredigten. Die Straße, in der meine Friseurin residiert, ist auch ohne Pflanzen nicht so trist, wie Green City behauptet. Aber tatsächlich hat das zarte Grün der transportablen Bäume die Atmosphäre verändert, sie leichter, heiterer gemacht. Noch dazu bekommt jeder Baum einen Gießpaten oder eine -patin, jemand, der aus seiner Wohnung stürmt, um Wasser herbeizuschleppen und für das lichte Überleben zu sorgen. Man ahnt, dass eine neue Dauerbepflanzung das lokale Kleinklima in jeder Hinsicht zum Besseren hin verändern könnte.

Leider sind die Wanderbäume weitergezogen, um eine andere Straße zu schmücken – abgeholt von vielen jungen Leuten, die mit ihrem Enthusiasmus und ihrer strahlenden Bereitschaft, auf alle Fragen zu antworten, ansteckend waren. Inzwischen gibt es eine Petition mit dem Ziel, Bäume nicht nur als Gäste zu beherbergen, sondern richtig in der Straße wohnen zu lassen. Es war einfach schlau zu zeigen: Haareschneiden bei Sabine oder Semmeln kaufen ist immer schön. Mit Grün vor der Tür noch mehr.

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