„Austreiben im Winter ist unmöglich“

von Redaktion

Bauern sehen Kombi-Haltung und Almwirtschaft bedroht – Heute startet Kampagne

Ein Almbauer treibt seine Jungrinder in Eschenlohe auf die Alm. Bauern sehen diese Tierhaltung in Gefahr. © dpa

Garmisch-Partenkirchen/Kreuth – Im Sommer auf der Weide oder Alm, im Winter im Stall: Diese traditionelle Kombi-Haltung von Kühen, Schafen und Ziegen sehen Bayerns Bauern in Gefahr. Der Grund: Das geplante neue Tierschutzgesetz verlangt künftig bei der Kombi-Haltung, dass die Tiere im Winter an zwei Tagen pro Woche ins Freie kommen. Dagegen startet der Bayerische Bauernverband mit Almbauern, Vertretern der Milchwirtschaft und des Tourismus heute in Kreuth (Kreis Miesbach) eine Info-Kampagne. Josef Glatz, Vorsitzender des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern aus Garmisch-Partenkirchen, berichtet, was ihm Sorgen bereitet.

Wie viele Tiere haben Sie, Herr Glatz?

Zwölf Milchkühe sind im Sommer auf der Gemeinschaftsalm, wo sie gemolken werden, acht bis zehn Stück Jungvieh weiden auf der Kreuzalm. Meine acht Mutterschafe sind auf der Frieder-Alm.

Können Ihre Tiere im Winter auch raus?

Nein, mein Hof ist mitten in Garmisch, da bietet sich nicht die Möglichkeit zum Austreiben. Aber wir haben doch die Kombi-Haltung: Im Sommer sind die Tiere auf der Alm, im Winter im Stall. Die haben genug Platz, um sich hinzulegen. Ich finde, das ist eine artgerechte Haltung.

Was befürchten Sie für die Zukunft?

Wir sind alle im Ortskern, da ist es schwierig, eine Austriebsmöglichkeit zu schaffen. Um 20 Stück Vieh rauszulassen, braucht man ganz schön viel Platz. Im Winter ist es gefroren, die Tiere aus dem Stall rauszulassen und wieder reinzutreiben ist ein Mordsaufwand. Bei uns wird viel im Nebenerwerb gearbeitet, da ist es mit der Zeit knapp. Die Tiere sind froh, wenn sie im Winter ihren festen Platz haben. Wir putzen sie jeden Tag, dass sie sauber beinand sind, sie werden gemolken. Wir sind ja im Stall und kümmern uns um sie.

Sie starten heute eine Kampagne zum Erhalt der Kombi-Haltung. Warum jetzt?

Nach der Sommerpause wird das Tierschutzgesetz im Bundestag beraten, darum muss man jetzt die Öffentlichkeit informieren, was das für Folgen hat. Die Alm- und Weidelandschaft ist durch die jahrhundertelange Pflege durch die Landwirte, ihre Rinder, Schafe und Pferde aufrechterhalten worden. Wenn die Stallhaltung so eingeschränkt wird, werden viele die Landwirtschaft aufgeben. Es wird einen Einbruch geben, den man in der Landschaft merken wird.

Wenn das Gesetz so bleibt, werden Sie aufhören?

Man muss rechnen. Ich bräuchte fünfmal so viel Platz, wenn ich die Rinder im Laufstall halten muss. Ich hab an meiner Hofstelle einfach nicht den Platz dazu. Ich hab jetzt genau die Tierzahl, die zu meiner Fläche passt. Wenn ich nicht mehr so viele Tiere hätte, würde ich die Niederertragsflächen wie die schwierigen Buckel- und Bergwiesen nicht mehr bewirtschaften. Wenn immer mehr Regeln unsere Arbeit belasten, wird es immer schwerer, Leute zu finden, die weitermachen.

Mittwoch ist Hautpalmbegehung des AVO in Oberammergau. Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist dabei. Worauf darf sie gefasst sein?

Ich find ja gut, dass die Politiker das Interesse zeigen. Im vergangenen Jahr war Bundesagrarminister Cem Özdemir da. Da haben wir auch schon über den Wolf und die Probleme mit der Anbindehaltung gesprochen. Wir sind der Meinung, reden mit den Leuten ist besser als schimpfen und protestieren. Ich habe Özdemir voriges Jahr versprochen, dass es einen offenen Dialog gibt und jeder seine Meinung sagen kann. Wir werden der Ministerin alles anhand unserer Natur erklären. Es wird von Theoretikern viel geredet. Darum ist es gut, wenn sich die Politiker die Zeit nehmen für die Praxis. Das Wichtige ist, dass man denen zeigt, wie‘s draußen ist. Nur schimpfen hilft ja nicht.

Womit wird die Kampagne zur Kombi-Haltung heute starten?

Wir haben Bilder gemacht, wie die Zukunft der Landschaft ohne Beweidung ausschauen wird. Dann wächst alles zu. Es ist ja nicht die Natur, die man sich vorstellt. Es verbuscht alles. Im ersten Moment denkt man vielleicht: Ja, das ist gut. Aber die Leute wissen nicht: Grasland und Almflächen binden wesentlich mehr CO2 als der Wald. Darum muss man das immer wieder erklären. Wir sind ja nicht gegen den Wald, aber es darf keine totale Verwaldung stattfinden.

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