Lehrkräfte fehlen, gerade auch in Mathematik und besonders Physik. An den Mittelschulen und Gymnasien ist die Lücke am größten. © Sebastian Kahnert/dpa
München – Alarmierend – mit einem Wort umschreiben Vertreter der Lehrerverbände die Lehrerbedarfsprognose, die das bayerische Kultusministerium im Juli veröffentlicht hat. Bayern schlittert wieder einmal in eine Situation des Lehrermangels. Vor allem an den Mittelschulen und Gymnasien wird es eng. „An den Mittelschulen wird in den nächsten Jahren ein beträchtlicher Lehrkräftebedarf bestehen“, heißt es in der Studie. Flüchtlinge aus der Ukraine und weitere Zuwanderung lasse den Bedarf anschwellen. Rein rechnerisch müsste der Staat in diesem Jahr 1560 Mittelschullehrer anstellen. Tatsächlich gibt es nur 720 neue Junglehrer, über 800 Stellen bleiben also unbesetzt. In den Folgejahren ist es ähnlich (siehe Grafik), erst ab 2028 könnte es besser werden. „Wegen der seit Jahren rückläufigen Studienanfängerzahlen“ gebe es „deutlich zu wenige Bewerber/innen“, heißt es in der Prognose. Das Kultusministerium wirbt um junge Leute, die gefälligst Lehrer werden sollen. In der Prognose wird das natürlich höflicher ausgedrückt: „Ein Anstieg der Studienanfängerzahlen für das Lehramt an Mittelschulen ist dringend angezeigt.“
Dass die Bitte Gehör findet, glaubt Markus Weinberger indes nicht. Er ist Mittelschullehrer im niederbayerischen Ergolding und seit Kurzem für die GEW Hauptpersonalrat im Kultusministerium. „Die Arbeitsbedingungen müssen besser werden“, sagt Weinberger. Er erinnert an das sogenannte Piazolo-Paket. 2020 verfügte der damalige Kultusminister Michael Piazolo (FW) diverse Härten. Unter anderem Teilzeit ist jetzt für Grund- und Mittelschullehrer kaum mehr möglich. „So was spricht sich doch rum“, sagt Weinberger. Kultusministerin Anna Stolz (FW) müsse Piazolos Paket kassieren, damit der Lehrerberuf wieder attraktiver werde.
Beunruhigt ist auch Michael Schwägerl vom Bayerischen Philologenverband – über eine in der Prognose skizzierte „Sondersituation“ im übernächsten Schuljahr 2025/26. Wegen der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) mit einem 13. Jahrgang steigt die Schülerzahl sprunghaft. Die Folge: Es werden 3150 Lehrer benötigt – aber nur 1770 Lehramtsstudenten beenden ihr Studium. Vor allem in Physik, Informatik, Evangelischer Religion und Kunst fehlen Lehrer. Schwägerl spricht von einem „Worst-Case-Szenario“. Durch die Aufstockung von Teilzeit-Lehrkräften und freiwillige Mehrarbeit, die über Arbeitszeitkonten verrechnet würde, könnte sich die Situation etwas entspannen. Im Herbst gibt es Dialog-Runden mit der Ministerin, eine erste fand am 15. Juli schon statt. Im Januar müsse entschieden werden, sagt Schwägerl.
Das Ministerium ist optimistisch: Die Prognose sei eine Art Frühwarn-System, um rechtzeitig reagieren zu können. In der Vergangenheit sei es fast immer gelungen, „Deckungslücken zu schließen bzw. deutlich zu verringern.“ Rein vorsorglich wird in der Prognose auch vorgeschlagen, durch größere Klassen, Eingriffe in der Stundentafel oder eine Schmälerung von Zusatzangeboten den Personalbedarf zu senken. Doch jeder hofft, das es so weit nicht kommt.