Einer der letzten gemeinsamen Urlaube: Christine und Michael Hoffmann auf ihrer Tour durch Norwegen und Schweden.
Gastfreundliches Land: Auf seiner Reise wird Michael Hoffmann oft von Wildfremden zum Tee eingeladen. © Privat (2)
Bernried – Das Reisen an sich ist ja schon ein Glück, aber manchmal braucht man beim Reisen auch Glück. Das erlebt Michael Hoffmann im Februar, mitten im Gebirge, mitten im Oman. Er will auf den Gipfel und die Aussicht auf dieses atemberaubend schöne Land genießen. Doch plötzlich merkt er: Sein Autoschlüssel ist weg. Er ist 80 Jahre alt, alleine unterwegs, nur mit einem gemieteten Geländewagen. Die Nacht will er im Hotel verbringen, aber dafür muss er noch ein gutes Stück über bucklige, ungeteerte Straßen fahren. Er sucht alles ab, „wie ein Dackel, kleine Schleifen rechts und links“, erzählt er und lacht. Tatsächlich findet er den Schlüssel zwischen Steinen, kurz bevor es dunkel wird. Die Reise kann weitergehen.
Neun Tage im Jeep allein durch den Oman – dieses Abenteuer hat sich Michael Hoffmann, der in Bernried am Starnberger See lebt und früher in der IT-Branche gearbeitet hat, zu seinem 80. Geburtstag geschenkt. Schon immer ist er viel gereist, mit seiner Frau Christine, seinem Sohn. Die drei haben verrückte Sachen gemacht, mit dem Flugzeug haben sie sich zu einem einsamen See in Schweden fliegen lassen, von dort aus ging es eine Woche zu Fuß zurück in die Zivilisation. In den USA kamen sie Schwarzbären, in Kanada Grizzlys gefährlich nah. Oft waren Michael und Christine Hoffmann in Schweden unterwegs, zu Fuß, mit Gaskocher und Zelt. Als sie 2013 eine unheilbare Krebsdiagnose bekam, genossen die beiden die gemeinsame Zeit umso mehr. Im April 2018 starb sie.
Im Oman denkt Michael Hoffmann oft an seine Christine. „Das hätte ihr gefallen“, sagt er. Etwa 2000 Kilometer fährt er mit dem weißen Jeep durch das Land. Als einmal der Motorboden herunterhängt, schreibt er einem Kontaktmann. Der will wissen: „Fährt das Auto noch?“ Als Hoffmann Ja sagt, hört er die Antwort: „Dann fahr einfach weiter.“ Er bewundert die einsame Wüste, sieht Esel, Ziegen, Kamele. Er besucht uralte Bergdörfer, einen riesigen Damm. Und immer wieder erlebt er die unglaubliche Gastfreundschaft der Einheimischen.
Zum Beispiel nach dem Erlebnis mit dem verlorenen Schlüssel. Kurz vor dem Gipfel trifft er eine vierköpfige Familie. Weil das letzte Stück steil ist, reicht der Vater ihm die Hand, hilft ihm hoch. Oben laden sie ihn zum Essen ein, für Donnerstag, da will er in ihrer Stadt ankommen. „Ich dachte, ach, das ist halt so dahingesagt“, sagt Hoffmann. Doch am Donnerstag bekommt er eine Nachricht aufs Handy. Komm vorbei! Mit dem Vater sitzt er im Garten, bekommt köstliches Gemüse, Reis und Fleisch serviert, die besten Stücke legt der Gastgeber ihm auf den Teller. Die Frau sieht er nicht, die bleibt in der Küche, so ist das in dem muslimischen Land. Die Kinder sind schüchtern, aber auch neugierig, das Mädchen zeigt ihm irgendwann seine Puppe. Am Ende des Besuchs will Hoffmann sich erkenntlich zeigen. Geld kommt nicht infrage, also lässt er seine teure Sonnenbrille als Geschenk da.
Er fühlt sich überall sicher und wohl. Ein Zufallsbekannter nimmt ihn einmal mit zu einer Moschee. Rein darf er nicht als Christ, dafür sorgt auch ein Wachmann. Aber er darf mit in eine Art Vorhof, dort warten Frauen und Kinder auf die betenden Männer, die Sonne geht unter, die Stimmung wird Hoffmann nie vergessen. Und hinterher treffen sich alle auf der Straße zum Essen.
Michael Hoffmann war so begeistert, dass er im November oder nächsten Februar wieder in den Oman will. „Das war eine wunderbare Reise, auch wenn meine Frau nicht dabei war“, sagt er. Ihre Urne steht zu Hause auf dem Friedhof, aber einen kleinen Teil ihrer Asche hat er im Sommer nach ihrem Tod mit nach Schweden genommen. Auf einer kleinen Anhöhe nahe des Femundsees, von der aus man einen wunderbaren Ausblick auf Berge, Seen und Wälder hat, übergab er Christines Asche dem Wind, der sie mit sich trug.
CARINA ZIMNIOK