DAS PORTRÄT

Ein Strafverteidiger wird Zimmerer

von Redaktion

Christian Spielbauer aus Gilching. © Andrea Jaksch

Früher hat Christian Spielbauer Straftäter verteidigt, heute baut er Dachstühle und Gartenhäuschen. Der Gilchinger will mit 45 Jahren beruflich noch mal von vorne anfangen. Im September beginnt er eine Zimmerer-Lehre.

In den vergangenen 14 Jahren hat Christian Spielbauer vor allem mit dem Kopf gearbeitet und wenig mit den Händen. Das will er nun ändern. Der Strafverteidiger und Syndikusanwalt schult zum Zimmerer um. „Ich hatte die Nase gestrichen voll. Ich wollte nicht mehr den ganzen Tag im Büro sitzen.“ Gerichtsakten und Kaufverträge konnte er irgendwann nicht mehr sehen. Als Jurist wollte er nicht alt werden, das spürte er immer stärker. Sein Talent fürs Handwerk erkannte Spielbauer, als er sein Haus in Gilching im Kreis Starnberg umbaute. Deshalb hat er sich entschieden, im September eine Zimmererausbildung zu beginnen. Eine Lehrstelle war schnell gefunden. „Wir brauchen immer Nachwuchs“, sagt Leopold Göring, Obermeister der Zimmerer- und Holzbau-Innung Starnberg. Spielbauer kann eine verkürzte Ausbildung machen, die dauert zwei Jahre. Mit seiner Frau hat er das durchgerechnet, finanziell kann sich die Familie das kleinere Gehalt erst mal leisten.

Seinen Zimmerer-Meister lernte er im Herbst auf einer Jobmesse kennen. „Er stand da scheu rum, ich dachte, das ist ein Lehrer“, erinnert sich Göring. Die beiden kamen ins Gespräch, vereinbarten ein Praktikum. „Das musste aber geheim bleiben, weil er ja noch angestellt war“, sagt Göring. Als Spielbauer schließlich kündigte und seinen Kollegen von seinen neuen Plänen erzählte, bekam er überwiegend positive Resonanz. „Die meisten fanden es cool, manche waren fast neidisch“, erzählt er.

Rückblickend sagt er, sein Job als Strafverteidiger habe ihm oft keinen Spaß gemacht. Besonders wenn er Mitglieder organisierter Banden oder Drogendealer verteidigen musste. „Ich hatte keine Lust mehr, auf der falschen Seite zu stehen.“ Nun sehen seine Tage anders aus. Zurzeit baut er mit Kollegen auf einem Privatgrundstück ein Gartenhaus. „Es ist toll zu sehen, wie schnell es vorangeht.“ Den Zimmerer-Alltag kennt er bereits gut. Aber die Fachbegriffe muss er noch lernen. Göring hat keinen Zweifel, dass er das schaffen wird. An der Berufsschule werden die meisten etwa 30 Jahre jünger sein als Spielbauer.
TOBIAS GMACH

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