Sie eint die Ehrfurcht vor Gott: (v.l.) Pfarrer Schießler, Thomas Gottfried, Martin Goppel (Katholische Erziehergemeinschaft), Innenminister Herrmann und Professor Zierer. © Markus Götzfried
München – Ehrfurcht kann eine süße Erkenntnis sein. Der Schulpädadoge Professor Klaus Zierer präsentiert das im Münchner Literaturhaus. Er hält ein Glas selbst geernteten Honig in die Höhe: „Eine Honigbiene schafft es im Sommer, einen Esslöffel Honig zu sammeln.“ In einem Glas stecke also das Werk von 200 Bienen. In drei Wochen lege eine Biene 800 Kilometer zurück – für ein Glas Honig würden 160 000 Kilometer Wegstrecke zurückgelegt.
Die Schöpfung zu erkennen, mache ehrfürchtig, „die kleine Biene folgt einem großen Plan“. Eine Erkenntnis, die laut Zierer zu einer Ehrfurcht vor der Natur, zu einem „Höheren“ führe. „Ehrfurcht vor Gott“ ist für den Erziehungswissenschaftler das „wichtigste Bildungsziel einer modernen Gesellschaft“ – entsprechend lautet der Titel eines Buchs, das Zierer mit seinem Mitarbeiter Thomas Gottfried geschrieben hat. „Werteorientierung und Persönlichkeitsbildung brauchen ein religiöses Fundament“, ist das Fazit dieses 120-seitigen Bandes.
Dass das Bildungsziel „Ehrfurcht vor Gott“, das in der Bayerischen Verfassung im Artikel 131, Absatz2, verankert ist, heute noch so aktuell sei wie bei seiner Entstehung 1946, stellt Innenminister Joachim Herrmann klar. Die Staatsregierung wolle dieses Bildungsziel stärken. Es sei überkonfessionell zu verstehen, beinhalte auch den Respekt vor Andersgläubigen und die Achtung der Menschenwürde. Im interreligiösen Dialog sieht Herrmann einen Schlüssel für ein besseres Zusammenleben. Das Innenministerium veranstaltet deshalb am 10. September zusammen mit der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in München eine Tagung zu „Wie viel Religion braucht die Demokratie?“. Dabei sollen der evangelische Landesbischof Christian Kopp, Augsburgs Bischof Bertram Meier, der Penzberger Imam Benjamin Idriz sowie Vertreter des Judentums mit Staats- und Verfassungsrechtlern darüber diskutieren, „wie wir das friedliche Zusammenleben in unserem Land verbessern können“. Herrmann ruft dazu auf, Respekt füreinander zu haben und sich aktiv für die Demokratie einzusetzen.
Professor Zierer regt eine Überarbeitung der Lehrpläne an. „Den Kindern wird in der Schule das Fragen ausgetrieben“, findet er. Sie hätten Angst vor Fehlern. Schule müsse stattdessen Herz und Charakter der Kinder stärken. Kunst, Musik und Sport sind für ihn die wichtigsten Unterrichtsfächer. Pfarrer Rainer Maria Schießler, der auch das Vorwort zu dem Buch geschrieben hat, ruft dazu auf, Kindern Religion nicht vorzuenthalten – und zwar weniger mit fertigen Sätzen, „mehr mit Leidenschaft und Begeisterung“.
CLAUDIA MÖLLERS