Viele Anträge für deutschen Pass

von Redaktion

Rund 210.000 Menschen wurden 2023 in Deutschland eingebürgert. © dpa

Bernried/München – Bahar Ayubi lebt seit acht Jahren in Bernried im Landkreis Weilheim-Schongau. Deshalb hat sie bereits vergangenes Jahr im Dezember einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Auf eine Entscheidung wartet die 21-jährige Afghanin auch acht Monate später noch. „Neulich habe ich im Landratsamt nachgefragt“, berichtet sie. Man sagte ihr, es werden gerade die Anträge von November bearbeitet. Bahar Ayubi will geduldig weiter warten. „Ich weiß ja, dass ich nicht die Einzige bin, die einen deutschen Pass bekommen möchte“, sagt sie.

Tatsächlich sind es sehr viele Menschen – aktuell sogar mehr denn je. Denn durch die Reform bei der Einbürgerung sind die Ämter in Bayern völlig am Limit, wie mehrere Kommunen berichten. Die Antragszahlen seien exorbitant gestiegen, seit das neue Gesetz am 27. Juni in Kraft getreten ist. Es ermöglicht Ausländern, nicht wie bisher nach acht, sondern schon nach fünf Jahren einen Antrag auf einen deutschen Pass zu stellen. Bei besonderen Integrationsleistungen soll es sogar schon nach drei Jahren möglich sein, Deutscher zu werden. Voraussetzungen für die schnellere Einbürgerung sind etwa gute Leistungen in Schule oder Job, gute Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement.

Für Bahar Ayubi kam die Reform zwar zu spät, sie hatte ihren Antrag ja bereits gestellt. Nach den neuen Regeln hätte sie aber nicht mehr so lange damit warten müssen. „In Afghanistan ist es Mädchen verboten, in die Schule zu gehen“, erzählt sie. „Dort konnte ich nur zwei Jahre die Grundschule besuchen.“ Als sie 13 war, flüchtete ihre Familie nach Bayern. Sie besuchte erst die Mittelschule, machte dann die Mittlere Reife – und im Mai dieses Jahres ihr Abitur. In einem Jahr will die 21-Jährige Soziale Arbeit studieren. Die Zeit bis dahin will sie einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren. Sie spricht perfektes Deutsch, ist gut integriert – und unheimlich dankbar für die Chance, die sie in Deutschland bekommen hat. „Ich würde feiern, wenn ich einen deutschen Pass bekomme“, sagt sie. Dafür würde sie sogar ihren afghanischen Pass abgeben, wenn es nötig ist. Seit Wochen hofft Bahar Ayubi jedes Mal auf den Brief vom Landratsamt, wenn sie die Post holt. „Und ich checke am Tag bestimmt zehn Mal meine Mails.“ Aber so wie es aussieht, wird sie noch eine Weile auf die Entscheidung warten müssen.

Genauso wie sehr viele andere Menschen in Bayern. Laut Innenministerium wurden von Januar bis Mai durchschnittlich mehr als 5600 Einbürgerungsanträge in Bayern gestellt. Im Juni waren es bereits 8400 Anträge. Und für Juli rechnet das Ministerium mit einer erneuten Steigerung. Arif Tasdelen, der Sprecher für Asyl- und Flüchtlingspolitik der Landtags-SPD, fordert mehr Einsatz für eine schnellere Einbürgerung und somit gesellschaftliche Teilhabe der Menschen. „Wir brauchen jetzt eine Fast Lane“, sagt er. „Denn alles andere ist respektlos denjenigen gegenüber, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, arbeiten, Steuern zahlen und sich einbringen.“

In der Stadt München lag die Zahl der Einbürgerungsanträge im Juni genau 129,4 Prozent über dem Vormonat. Und sogar 194 Prozent über dem Wert von Juni 2023. Anfang August hatte die Gesamtzahl der Anträge für 2024 bereits sieben Prozent über der Antragszahl des gesamten Vorjahrs gelegen. In München beträgt die Wartezeit für Antragsteller aktuell zwölf bis 18 Monate. 2023 kamen die meisten Einbürgerungsanträge von Irakern (732), Syrern (485), Türken (413) und Ukrainern (400).

Auch alle anderen großen bayerischen Städte melden einen enormen Anstieg der Antragszahlen – und berichten von langen Wartezeiten. Das Personal sei zwar aufgestockt worden, sagt ein Sprecher aus Nürnberg. Die Mitarbeiter müssten sich wegen der neuen Rechtslage aber erst einarbeiten. Eine Sprecherin aus Regensburg findet deutliche Worte: „Die vom Bund durchgeführte Gesetzesänderung hat die Kommunen an den Rand der personellen Leistungsfähigkeit gebracht.“ Das Staatsangehörigkeitsgesetz sei schon immer ein umfangreiches und schwieriges Rechtsgebiet gewesen. Nun müssten sich Mitarbeiter über interne Schulungen und Selbststudium in die neue Rechtslage einarbeiten. Bei neuen Kräften könne das bis zu einem Jahr dauern.

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