Über die Ludwig-Thoma-Straße zieht in Dachau der Festumzug zum Dachauer Volksfest auf die Thoma-Wiese. Der Namensgeber der Straße und Festwiese ist in Misskredit geraten, seit antisemitische Äußerungen bekannt wurden. © Norbert Habschied
Dachau/München – In Dachau lädt gerade das Volksfest bei schönstem Sommerwetter zum ausgelassenen Feiern ein. Traditionell auf der Ludwig-Thoma-Wiese. Ob das Fest, das lange für seinen günstigen Bierpreis (heuer: 9,70 Euro/Mass) bekannt war, in Zukunft weiter an einer Straße mit dem Namen des Schriftstellers (1867–1921) stattfinden wird, darüber muss der Dachauer Stadtrat nach dem Sommer entscheiden.
Denn derzeit forscht eine Arbeitsgruppe über Namensgeber von Straßen, Plätzen und Gebäuden, die aufgrund ihrer Vergangenheit in Misskredit geraten sind. Möglich wäre, dass Straßennamen geändert werden oder Straßenschilder künftig mit einem Zusatz versehen werden.
Thoma verfasste antisemitische Texte
Im Fall Thoma müsste darauf hingewiesen werden, dass der Autor von „Der Münchner im Himmel“ und „Heilige Nacht“ später antisemitische Hetzartikel verfasst hat. Derartige Überprüfungen von Straßen- und Gebäudenamen finden vielerorts in Bayern statt. So wurde kürzlich in Donauwörth die Werner-Egk-Musikschule umbenannt, nachdem eine Studie zeigte, dass der Komponist (1901-1989) „von rassistischem, antisemitischem Gedankengut erfasst“ war und sich mit seinen Publikationen aktiv an Ausgrenzung und Diffamierung beteiligt habe.
Nach Werner Egk ist auch in Dachau ein Weg benannt. Der Fall des Komponisten ist nach den Worten des Dachauer Kulturamtsleiters Tobias Schneider auch ein Grund, warum der Bericht der Arbeitsgruppe über belastete Straßennamen noch nicht vorliegt. „In einigen Details muss noch nachgearbeitet werden“, sagte er. Schneider wollte nicht bestätigen, dass die dreiköpfige Arbeitsgruppe ihren Bericht bereits abgeschlossen habe. Auch wenn die Untersuchung zu 95 Prozent fertig sei, reiche das noch nicht. „Lieber gehen wir exakter und gründlicher vor.“ Spätestens zum Jahresende sei die Arbeit wohl abgeschlossen. Wie man hört, soll es neben Thoma noch weitere strittige Straßennamen geben. Dazu sagt Schneider nichts: Zuerst soll hinter verschlossenen Türen im Stadtrat beraten werden.
Zu Ludwig Thoma gibt es in Dachau, wo der Schriftsteller von 1894 bis 1897 eine Anwaltskanzlei geführt hatte, einige öffentliche Hinweise: eine Straße, die Festwiese, ein Veranstaltungshaus und den Verein der Ludwig-Thoma-Gemeinde. Diskussionen in der Stadt deuten darauf hin, dass der Name auf Straßenschildern erhalten bleiben könnte, aber mit einem erklärenden Text oder QR-Code ergänzt wird.
Gerade in Dachau, das durch das damalige Konzentrationslager auf ewig mit den Verbrechen des Nationalsozialismus verwoben ist, sind solche Diskussionen sehr sensibel. Auch in München gab es die Diskussion über eine Ludwig-Thoma-Straße in Pasing. Oberbürgermeister Dieter Reiter sprach schließlich ein Machtwort: Solange er OB sei, werde die Straße nicht umbenannt.
Scharfe Diskussionen gab es auch in Bad Tölz, als 2015 über die Hindenburgstraße gestritten wurde. Hier wird auf Stelen die zwiespältige Rolle des Reichspräsidenten erklärt, der als Steigbügelhalter Hitlers gilt. In Ebersberg wurde 2005 die Hindenburgallee nach langer Diskussion umbenannt in Pfarrer-Grabmeier-Allee. Als bekannt wurde, dass der spätere Münchner Weihbischof Matthias Defregger als Wehrmachts-Hauptmann im Zweiten Weltkrieg unschuldige Männer hat erschießen lassen, wurde der nach ihm benannte Weg in Pöcking (Kreis Starnberg) umbenannt.
Kommunen haben Entscheidungsmacht
Straßenumbenennungen sind laut Benedikt Weigl, als Referatsleiter beim Bayerischen Gemeindetag zuständig für Verkehr und Mobilität, keine Seltenheit. Zuletzt habe es mehrere Fälle gegeben, weil sich Priester rückblickend als Missbrauchstäter erwiesen haben. Geregelt sind die Verfahren im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz.
„Die Gemeinde hat die Entscheidungsmacht, ob sie umbenennen will. Viele Kommunen machen es wie Dachau, dass sie Arbeitsgruppen einrichten.“ Es gebe auch die Möglichkeit, die Bevölkerung einzubinden, „aber das ist keine Verpflichtung“. Weigl weiß, dass Umbenennungen für Anwohner lästig sind „das ist wie ein Umzug, man muss seine neue Adressen überall hin melden. Das ist halt mühsam.“