Denis Eler
Angelo Jerimias
Moritz Kühlborn
Zeqir Beqiri
Großfahndung: Ein Fahrzeug der Polizei steht vor dem niederbayerischen Bezirkskrankenhaus Straubing. Vier Straftäter (Fotos unten) sind am Samstagabend aus der geschlossenen Klinik geflohen. © Hartl/dpa/vifogra/Polizeipräsidium Niederbayern (4)
Straubing – Vier Männer sind am Samstagabend im niederbayerischen Straubing aus einer geschlossenen Klinik im Bezirkskrankenhaus (BKH) entflohen. Zu Redaktionsschluss dauerten die umfangreichen Fahndungsmaßnahmen noch immer an. Staatsanwaltschaft und Kripo ermittelten wegen Verdachts auf Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung, teilte die Polizei mit. Die Flüchtigen im Alter von 27, 28 und 31 Jahren gelten als gefährlich. Sie befinden sich aufgrund von Eigentums- und Betäubungsmitteldelikten im Maßregelvollzug des BKH.
Am Samstag sollen sie dort einen Mitarbeiter bedroht, attackiert und festgehalten haben, um die Öffnung der Pforte zu erzwingen. Dabei hätten sie stumpfe und spitze Gegenstände verwendet. Der Mann habe Verletzungen im Gesicht erlitten und werde nun stationär behandelt, sagte eine Polizeisprecherin. Danach seien die vier Männer zu Fuß geflohen.
Rund 100 Beamte hätten noch in der Nacht von Samstag auf Sonntag nach ihnen gefahndet. Hubschrauber und Suchhunde waren im Einsatz. Nähere Angaben zur Fahndung, etwa ob Angehörige der Flüchtigen befragt würden, wollte die Polizeisprecherin unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht machen. Die Polizei hat die Bürger in Straubing und der Region dazu aufgerufen, keine Anhalter mitzunehmen und sich verdächtigen Personen nicht zu nähern. Stattdessen sollten sie den Polizeinotruf 110 wählen. Zahlreiche Zeugenhinweise seien schon eingegangen und würden ausgewertet, so die Sprecherin.
Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) forderte am Sonntag eine detaillierte Aufarbeitung des Vorfalls sowie Konsequenzen: „Es kommt alles auf den Prüfstand. Vom Maßregelvollzug darf keine Gefahr für die Bevölkerung und die Mitarbeiter in den forensischen Kliniken ausgehen.“ Im Maßregelvollzug sind Menschen untergebracht, die aufgrund von Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit – etwa wegen einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtkrankheit – nicht in den Strafvollzug und somit nicht in ein Gefängnis kommen.
Die Sicherheitskonzepte in den Einrichtungen müssten bayernweit verbessert werden, sagte Scharf. Dazu gehöre die Weiterentwicklung von Geisellage-Szenarien und Schulungen für Mitarbeiter. Es müsse auch geprüft werden, ob in bestimmten Fällen Therapieabbrüche und eine Überstellung in die Justizvollzugsanstalten schneller rechtssicher stattfinden können. „Solche Ausbrüche dürfen nicht wieder passieren.“
Erst vergangene Woche war ein Insasse des Bezirkskrankenhauses Mainkofen im niederbayerischen Deggendorf geflohen – allerdings während eines begleiteten Freigangs. Der Mann entkam seinen Begleitern während eines Kinobesuchs in Plattling und wurde knapp acht Stunden später gefasst. Der Vorfall soll jetzt intensiv aufgearbeitet werden.
Das Bezirkskrankenhaus Straubing, in dem die Flüchtigen untergebracht waren, ist eine Fachklinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie und erfüllt den gesetzlichen Auftrag des Maßregelvollzuges unter der Trägerschaft des Bezirkes Niederbayern. Insgesamt gibt es dort 230 Therapieplätze.
Und obwohl nun vier von ihnen flüchtig sind, soll für die Menschen in Straubing laut Polizei keine Gefahr bestehen. Gerade weil wegen des Gäubodenvolksfestes, das mit rund 1,3 Millionen Besuchern pro Jahr als zweitgrößtes Volksfest Bayerns gilt, im Moment vermehrt Polizisten im Einsatz sind.