INTERVIEW

„Es ist wie nach Hause kommen“

von Redaktion

Spitzenköchin Cornelia Fischer übernimmt die Überfahrt in Rottach-Egern

Vor Kurzem kochte Cornelia Fischer noch in den Schwane-Restaurants in Volkach. Nun übernimmt sie das Überfahrt. © Peter Pfannes

Sie ist zurück: Cornelia Fischer übernimmt als Nachfolgerin von Christian Jürgens das Gourmet-Restaurant in der Überfahrt am Tegernsee. Jürgens hielt bis zu seinem Weggang dort drei Michelin-Sterne. Die gebürtige Würzburgerin hatte zuerst Hotelfach gelernt, dann aber auf Köchin umgesattelt. 2011 schloss sie die Ausbildung als Jahrgangsbeste ab. Nach Stationen im Tigerpalast in Frankfurt, der Überfahrt und Schloss Schauenstein in der Schweiz wurde sie 2021 Küchenchefin im Hotel „Zur Schwane“ in Volkach. Dort erkochte die 39-Jährige ihren ersten Michelin-Stern. Dieses Jahr hat sie der Schlemmer Atlas mit dem Titel „Köchin des Jahres“ ausgezeichnet. Sie gilt als eines der größten kulinarischen Talente im deutschsprachigen Raum. Im Interview berichtet sie, was sie sich für ihren Neustart vorgenommen hat.

Willkommen zurück am Tegernsee. Wie war Ihr Start?

Das kann ich mit einem Wort beschreiben: wunderschön. Ich kenne das Haus ja schon, von meiner Zeit als Chef de Partie 2015. Es ist ein schönes Gefühl, wieder hier zu sein. Ich liebe die Gegend und den Tegernsee. Es ist ein bisschen so wie nach Hause kommen.

Aber jetzt ist alles anders…

Ja, und das nicht nur, weil ich jetzt die Küchenchefin bin. Das komplette Küchen-Team wurde neu aufgestellt. Es findet in der Überfahrt ein kompletter Neustart statt. Das gesamte Küchen-Team im Gourmet-Restaurant soll aus acht Köchen bestehen, derzeit sind es fünf. Ab September sind wir wieder für unsere Gäste da.

Sie sind seit Juli am Tegernsee. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag derzeit aus, wenn Sie noch gar nicht kochen?

Im Moment mache ich Bestandsaufnahme und baue mir ein Netzwerk aus Lieferanten und Produzenten auf. Das ist gar nicht so einfach. Qualität und Mengen müssen im gewünschten Umfang lieferbar sein. Ich bin viel unterwegs auf der Suche nach dem Besonderen, insbesondere außergewöhnliche, spezielle Gurken, unbekannte Kresse und Haferwurzeln. Letztere schmecken herrlich nussig. Einen Teil der Produkte wollen wir zukünftig selbst anbauen.

Bisher war Ihr Markenzeichen, ausschließlich mit Zutaten aus der Region zu kochen. Bleiben Sie dieser Linie treu?

Klar, Regionalität ist mir nach wie vor sehr wichtig. Allein der Nachhaltigkeit wegen. Ich werde in einem Haus wie der Überfahrt mit internationalen Gästen diese Linie ausschließlich so verfolgen wie bisher. Wenn überregionale Produkte eindeutig besser sind, werden wir damit arbeiten. Einen Kaisergranat gibt es nun mal nicht regional. Deshalb müssen wir zu Alternativen greifen. Wir achten darauf, dass nachhaltige Richtlinien bei der Zucht eingehalten wurden. Auch beim Wein sind wir internationaler aufgestellt. Wenngleich der österreichische Wein eine große Rolle auf der Weinkarte spielen wird. Und der kommt schließlich aus der Nachbarregion.

Was wollen Sie in der Überfahrt erreichen? Köchin des Jahres sind Sie ja schon…

Mein Ziel ist in erster Linie, dass die Gäste bei uns einen bezaubernden Abend erleben. Ein wunderschönes Gesamterlebnis in der Überfahrt haben.

Und in puncto Michelin-Sterne? Bislang war die Überfahrt mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.

Mein Motto lautet, auch was die Michelin-Sterne angeht: Man arbeitet hart und sieht dann, was passiert. Dabei orientiere ich mich gerne an dem Leitspruch meiner Mutter: Das Leben ist kein Wunschkonzert.

Wie sieht ein Teller von Cornelia Fischer aus?

Für mich steht der Geschmack an erster Stelle. Dann erst kommt die Optik. Auf einem Teller von mir gibt es keine wilden Kompositionen. Meine Teller sind klar strukturiert, es gibt nichts darauf, was es nicht wirklich braucht. Nichts soll vom Geschmack ablenken.

Sie sagten einmal, dass die Zeit in der Küche während Ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau zu den schlimmsten Momenten gehörte. Trotzdem sind Sie Köchin geworden. Wie kam das?

Mein Interesse an der Küche hat sich erst später herauskristallisiert. Auf einmal war das Interesse am Kochen, an der Verarbeitung von Lebensmitteln und den einzelnen Produkten da. Das hat mich begeistert und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich liebe es einfach zu kochen und stehe mit Leidenschaft am Herd.

Wie hat Sie Ihre Familie geprägt?

Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden. Da lernt man von klein auf anzupacken und bekommt auch ein ganz anderes Verhältnis zu Lebensmitteln. Ich habe erlebt, wie viel Arbeit darin steckt, aber auch, wie eine Karotte wirklich zu schmecken hat und vor allem schmecken kann. Je nach Erntezeitpunkt und Reifegrad entstehen verschiedene Geschmackserlebnisse. Dieses Wissen hilft mir, die Gäste damit zu begeistern und zu überraschen, dass eine Gemüsesorte unendlich viele Genussmöglichkeiten bietet. Während der Ausbildung hatte ich das erste Mal Kontakt mit Industrieware. Da bin ich erschrocken, denn die Karotte schmeckte überhaupt nicht nach Karotte. Mit solchen Produkten will ich nicht arbeiten.

Wenn Sie sich von Ihrer Mutter was zu essen wünschen dürfen, was ist das?

Der Bohneneintopf von meiner Mutter ist ein Wohlfühlessen. Oder im Winter ganz klassisch eine von uns gezüchtete Ente mit Blaukraut oder Feldsalat und Knödel. Das schmeckt für mich nach Heimat.

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