Die Materialseilbahn versorgt eigentlich die Hütte.
Das Watzmannhaus thront über dem Königssee im Nationalpark Berchtesgaden auf 1930 Metern. 200 Wanderer können hier übernachten. © Pfeiffer (2)
Schönau am Königssee/Ramsau – Ein gerissenes Seil stellt die Betreiber des Watzmannhauses vor ein gewaltiges Problem: Mitten in der Hauptsaison hat die Materialseilbahn, über die die berühmte Hütte mitten im Nationalpark Berchtesgaden versorgt wird, den Geist aufgegeben. Das Zugseil, das per Gondel Getränke, Lebensmittel und alles, was der Wanderer sonst noch braucht, auf 1930 Meter bringt, ist gerissen. Seit einer Woche kann die Bahn nicht mehr benutzt werden.
Was das massive Seil hat reißen lassen, ist derzeit die große Frage, die alle Verantwortlichen beschäftigt. „Nach der Ursache muss erst noch gefahndet werden”, sagt Annette Verst, die bis vor Kurzem gemeinsam mit Ehemann Bruno das Watzmannhaus betrieben hat. Anfang des Jahres hat ihr Sohn Paul den Betrieb übernommen. „Ein Gewitter könnte der Grund gewesen sein”, mutmaßt die Hüttenwirtin.
Der Super-GAU mitten in der Hochsaison
Genaueres werden erst weitere Untersuchungen ergeben, sagt auch Markus Block, Sprecher der Alpenvereinssektion München, die für das Watzmannhaus zuständig ist. Ein Spezialunternehmen sei bereits beauftragt worden, den Schaden im Detail zu begutachten und ein Sanierungskonzept zu erstellen. Nur drängt die Zeit, denn der lange Ausfall der Materialseilbahn passiert zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
„Die Hauptsaison geht noch bis in den Oktober hinein”, sagt Block. Und das Watzmannhaus ist die kommenden Monate über ausgebucht. Die kommenden Wochen macht das zur logistischen Herausforderung. Es geht ja nicht nur um die Schmankerl auf dem Tisch – auch Klopapier, Seife, Reinigungsmittel und das Werkzeug von Handwerkern, die oben arbeiten, kommen per Bahn.
Das Watzmannhaus ist sowohl eine der größten als auch eine der meistbesuchten Hütten des DAV. Mehr als 12 800 bezahlte Übernachtungen verzeichnete die Sektion München dort im vergangenen Jahr. „Dazu kommen etliche Tagesgäste, die nach einer Einkehr und dem Besteigen des Hochecks wieder ins Tal absteigen”, weiß Sektionssprecher Markus Block. Die 50 Zimmerlager und 162 Matratzenlager im Watzmannhaus sind unter Bergsteigern mehr als begehrt. Hier übernachtet auch, wer sich für die hochalpine Watzmann-Überschreitung vorbereitet und dafür eine letzte Mütze guten Schlaf braucht.
Die Materialseilbahn, die seit 1975 in Betrieb ist, überwindet auf einer Strecke von 1,3 Kilometern einen Höhenunterschied von 574 Metern – gestützt von einer einzigen Portalstütze auf der gesamten Strecke. Markus Block weiß, dass im Laufe der Jahre immer wieder Teile der Anlage modernisiert worden sind. Der Antrieb wurde 1994 erneuert und 2021 ein neuer Seilbahnwagen aus Aluminium installiert. Dessen Traglast: rund 200 Kilogramm.
Jetzt, wo nichts mehr geht, gibt es nur eine Alternative – und die ist kostenintensiv. Denn die Versorgung für die Gäste-Massen kann nun nur noch ein Hubschrauber übernehmen. „Um die Hubschrauberflüge optimal durchzuführen, laufen zurzeit Absprachen mit den umliegenden Hütten”, erklärt Block. Mit eingebunden sei auch die Verwaltung des Nationalparks Berchtesgaden. Immerhin liegt das Watzmannhaus ja im einzigen Alpennationalpark Deutschlands.
Klopapier-Lieferung per Helikopter
Wie hoch die Kosten für die Reparatur ausfallen werden? Darüber lässt sich nur spekulieren. Eine Kostenschätzung liegt aktuell nicht vor. Aussagen dazu seien erst nach der Begutachtung möglich, heißt es bei der Sektion München. All das könnte im schlimmsten Fall noch eine Weile dauern. Der Druck, schnell zu reparieren, ist hoch: Trotz der unübersichtlichen Lage hoffen die Betreiber und der DAV, dass die Seilbahn noch heuer wieder in Betrieb genommen werden kann, erklärt Block. Denn jedes Bier und jede Klopapierrolle, die der Heli bringt, ist teuer.