Metzger darf Solarstrom nicht nutzen

von Redaktion

Der Metzgereibetrieb in Langenbach.

Er ist frustriert über seine Stromrechnung: Augustin Keller.

Die Solaranlage auf Augustin Kellers Firmendach erzeugt 200 000 Kilowattstunden im Jahr. © Rainer Lehmann (3)

Langenbach – Je mehr die Sonne scheint, desto düsterer wird Augustin Kellers Stimmung. Zumindest an den Tagen, an denen ihm die Überlandwerke Erding seine Photovoltaikanlage abstellen. Gut 250 000 Euro hat er vor etwa zwei Jahren investiert – überzeugt, dass sich das rechnen wird. Keller betreibt in Langenbach im Kreis Freising eine Metzgerei. Mit einer Leistung von 216 Kilowatt bringt die PV-Anlage auf dem Firmendach gut 200 000 Kilowattstunden im Jahr. Den Großteil dieses Stroms verbraucht Keller in seiner Metzgerei. Er hat die Abläufe im Betrieb so organisiert, dass energieintensive Arbeitsschritte mittags erledigt werden – wenn die Sonne am stärksten scheint. Anfangs habe sich das gelohnt, berichtet er. „Wir haben unsere Stromrechnung von 8000 auf 3000 Euro reduziert.“ Dazu kamen noch mal etwa 1400 Euro, die er durch die Einspeisung des überschüssigen Stroms ins Netz bekommen hat. Diesen Mai hatte Keller jedoch eine Stromrechnung von 10 000 Euro. In diesem Monat wurde ihm seine PV-Anlage an 13 Tagen abgestellt, berichtet er. Im Juni waren es zehn Tage, im Juli etwa fünf.

Immer wenn das Netz an sehr sonnigen Tagen durch die vielen Solaranlagen überlastet ist, müssen die Überlandwerke Kellers Anlage abstellen. Wenn ein Engpass im Netz erwartet wird, werden die Überlandwerke einige Minuten vorher von dem Netzbetreiber Bayernwerk aufgefordert, für eine bestimmte Zeit die Einspeiseleistung ins Netz zu reduzieren, erklärt ein Sprecher. „Möglich ist das durch die Fernsteuerbarkeit der Anlagen.“ In diesem Jahr habe es bereits etwa 30 dieser Aufforderungen gegeben. „Aber nicht jedes Mal werden die gleichen Anlagen abgestellt.“

Die Engpässe entstehen durch den Boom von Photovoltaikanlagen, erklärt Bayernwerk-Sprecher Maximilian Zängl. „500 000 PV-Anlagen sind an unser Netz angeschlossen, davon sind 88 000 im letzten Jahr neu dazugekommen. Die PV-Anlagen machen eine Leistung von rund 10 000 Megawatt im Bayernwerk-Netz aus. „Wir bauen unsere Energienetze mit Rekord-Budgets aus, bis 2026 sind über fünf Milliarden Euro dafür veranschlagt.“ Dieser Ausbau erfordere baulich aber deutlich mehr Zeit als der Bau neuer Anlagen. Deshalb komme es regional immer wieder zu drohenden Netzüberlastungen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen die Netzbetreiber dann steuernd eingreifen. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz dürfen aber nur so viele Anlagen abgestellt werden, wie unbedingt nötig. „Die steuerbaren Anlagen, die am stärksten auf den Engpass wirken, werden über einen Algorithmus ermittelt“, sagt der Sprecher. Grundsätzlich hätten Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 Kilowatt wegen der höheren Wirkung auf den Engpass Priorität.

All das könnte Metzgermeister Augustin Keller noch nachvollziehen. Was er aber nicht versteht, ist, warum er seinen eigenen Strom nicht nutzen kann, ohne etwas davon ins Netz einzuspeisen. „An jedem Tag, an dem meine Anlage abgestellt wird, entgehen mir rund 500 Euro, weil ich meinen Strom nicht nutzen kann und teuren Netzstrom kaufen muss.“ Wie eine Enteignung fühlt sich das für ihn an. Keller ist überzeugt, dass man bei der Steuerung der Anlage nur ein Häkchen anders setzen müsste, statt sie komplett abzustellen. „Die Kosten, die mir bei zehn Abstell-Tagen im Monat entstehen, sind irgendwann vernichtend für einen mittelständischen Betrieb.“

Seine Gespräche mit den Überlandwerken seien jedoch ergebnislos geblieben. Auch an Politiker aller Parteien habe er sich gewandt, berichtet er. Lediglich von den Grünen bekam er eine Antwort, das ihm in so einem Fall eine Entschädigung zustehe. „Aber wie ich die bekomme, habe ich nicht erfahren“, sagt er. „Ich bin Metzger – und kein Jurist oder Elektriker.“ Für ihn fühlt es sich an wie ein Kampf David gegen Golliath. Und er weiß, dass er mit dem Problem nicht allein ist. „Viele Unternehmer sind auf mich zugekommen, weil es ihnen genauso geht.“

Auch Marian Rappl kann bestätigen, dass der Langenbacher Metzger nicht der Einzige mit diesem Problem ist. Rappl ist Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft. „Unser Stromnetz kommt aus einer Welt, in der es vor allem gut steuerbare Kraftwerke gab“, erklärt er. Sonne oder Wind können nicht abgestellt werden, deshalb drohe an sehr sonnigen Tagen eine Überlastung des Stromnetzes. Würden dann Erzeugungsanlagen nicht abgestellt, könne das schlimmstenfalls zu Stromausfällen führen, erklärt Rappl. Die Netzsteuerung sei zu komplex, um einzelne Anlagen ganz spezifisch zu kappen. „Rechtlich ist es erlaubt, die gesamte Anlage abzustellen – obwohl das natürlich aus Sicht des Betreibers alles andere als optimal ist.“

Es werde noch dauern, bis das Netz für die neue Welt mit ihren vielen PV-Anlagen und Windrädern optimal gerüstet ist, prognostiziert Rappl. „Und es ist nicht gesagt, dass immer auch die letzte Kilowattstunde des erzeugten Stroms abtransportiert werden kann.“ Er vergleicht das Stromnetz mit einer dreispurigen Autobahn, die an den meisten Tagen im Jahr für den Verkehr ausreicht. An einzelnen Tagen könne es zu Staus kommen – aber das bedeute nicht, dass ein achtspuriger Ausbau sinnvoll und finanzierbar sei. Wichtig ist ein ergänzender Ausbau der Speicherkapazitäten. „Aber das ist teuer und kompliziert. Nur Batterien reichen dafür nicht.“ Die derzeit in Bayern installierten Batteriespeicher reichen rein rechnerisch gerade aus, um den Freistaat 17 Minuten mit Strom zu versorgen, sagt Rappl.

Er versteht, dass Metzgermeister Keller und viele andere Besitzer großer PV-Anlagen frustriert sind. „Solche Fälle sind zum Kopfschütteln. Aber trotzdem müssten sie das wohl erst mal hinnehmen. Augustin Keller hat seine Investition trotzdem all dem Ärger nicht bereut. Er ist überzeugt, dass Anlagen wie seine der richtige Weg sind. Er will weiter jede Gelegenheit nutzen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Und hofft auf noch viele Sonnentage in diesem Jahr, an denen er seinen selbsterzeugten Strom nutzen darf.

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