Das Haus des Ottobrunner Ehepaares ist nur wenige Meter von der Baustelle entfernt.
Fertig mit den Nerven: Hans Huber (Name geändert) lebt direkt hinter der Hecke rechts im Bild neben dem Gleis. Der Baulärm raubt ihm den Schlaf. © Marcus Schlaf (2)
Ottobrunn – „Wir sind fertig mit den Nerven“, sagt Hans Huber. Sein richtiger Name wurde von der Redaktion geändert, er will ihn nicht in der Zeitung lesen. Bis Anfang August war der 75-Jährige mit seiner Frau (81) ein paar Tage verreist, das Paar war ganz erholt nach Hause gekommen. Das Haus der Hubers steht in der Nähe des Bahnübergangs, das Schlafzimmer ist nur wenige Meter von den Gleisen entfernt. Normalerweise braust hier die S7 auf dem Weg nach München und Höhenkirchen-Siegertsbrunn vorbei, die Geräusche stören Huber und seine Nachbarn überhaupt nicht. Doch nun werden die maroden Gleise auf der Trasse Meter für Meter runderneuert, die Technik an den beiden Bahnübergängen auf den neuesten Stand gebracht. Das dauert und dröhnt.
Am zweiten August geht es mitten in der Nacht los mit dem Getöse. Huber hat eine Zeugin, die Schwester seiner Frau aus den USA ist gerade zu Besuch. Weit nach Mitternacht rücken schwere Bauzüge an, laden Bagger und Kräne ab, riesige Eisenteile werden auf die Erde gewuchtet – das verursacht einen Höllenlärm. Hubers Frau macht mit dem Handy Videos von der Aktion.
Auf der Internetseite der Gemeinde Ottobrunn heißt es zu der Mega-Baustelle lapidar: „Anlieger und Anwohner müssen mit Einschränkungen und Behinderungen rechnen.“ Aber mitten in der Nacht? An Schlaf ist für die ganze Familie nicht zu denken, der Lärm zerrt an den Nerven. Hans Huber ruft sogar die Polizei. „Ich habe gesagt, sie sollen sich diesen Krach mal anhören“, sagt er. „Die haben sich geweigert zu kommen. Es sei nicht ihre Sache, weil keine Straftat vorliege.“
Eine Woche lang schlafen die Hubers kaum, die lärmintensivsten Arbeiten werden immer nachts durchgeführt. Tagsüber ist weitgehend Ruhe. „Da laufen nur stundenlang die Motoren.“ Huber geht zum Ottobrunner Ordnungsamt, um sich die Sachlage erläutern zu lassen. Er lernt, dass die Bahn grundsätzlich Tag und Nacht arbeiten darf, sie hat das Projekt an einen Unternehmer abgegeben. Immerhin: „Die Gemeinde hat die Bahn gebeten, laute Arbeiten nicht ausgerechnet nachts durchführen zu lassen“, sagt er.
In Gröbenzell liegt der Fall ganz ähnlich (wir berichteten): Auf der Bahnstrecke zwischen Olching und Lochhausen wird zurzeit das Schotterbett erneuert, und zwar nachts, wenn kaum Züge fahren. Tagsüber werden Bauarbeiter mit einer lauten Hupe vor vorbeifahrenden Zügen gewarnt. Nachts sorgte die tonnenschwere Maschine, die den Schotter reinigt und auswechselt, für Entrüstung. Hier hat die Bahn nun Hotelübernachtungen für Anwohner angeboten – auf ihre Kosten. „Dieses Angebot erfolgt aus Rücksicht auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Anwohner und soll sicherstellen, dass der notwendige Schlaf trotz der Baumaßnahmen gewährleistet bleibt“, heißt es vonseiten der Bahn.
Auch Huber in Ottobrunn sieht sein Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt, er will eine Entschädigung. „Hotelübernachtungen kommen insbesondere bei außergewöhnlich großen Lärmemissionen in Betracht – vor allem wenn diese durchgehend längere Zeit andauern“, bestätigt ein Bahnsprecher auf Nachfrage. In Gröbenzell sei das Warnsystem der Grund für die Entschädigung, in Ottobrunn komme dieses aber gar nicht zum Einsatz, die Gleise seien für den Bahnbetrieb komplett gesperrt. „Aus diesem Grunde besteht die Möglichkeit einer Hotelübernachtung bei dieser Baustelle aktuell nicht.“
In den kommenden Nächten laufen in Ottobrunn noch Stopf- und Schweißarbeiten. In dieser Bauphase werden unter anderem große Werkzeuge in den Schotter gerammt, um ihn unter den Bahnschwellen zu verteilen. Das klingt nicht gerade nach Ruhe. „Man fühlt sich macht- und wehrlos“, sagt Huber. Die Arbeiten laufen laut Bahn noch bis zum 26. August, damit liegen sie im Zeitplan. „Zwar wird es hier auch weiterhin zu nächtlichen Lärmbelästigungen kommen, die noch anstehenden Arbeiten sind jedoch nicht mehr ganz so laut wie in den vergangenen zwei Wochen“, verspricht der Sprecher. Die Bahn hat Huber inzwischen immerhin eine Kontaktadresse genannt, an die er seine Beschwerde richten kann. In ein Hotel umziehen will er keinesfalls: „Ich kann nicht einfach mein ganzes Büro mit Computer für ein paar Tage in einem Hotel aufbauen“, sagt er. Ob Huber noch an seine Entschädigung kommt, bleibt fraglich.