Blauzungen-Virus: Gefahr für Schaf und Rind

von Redaktion

An ihren Bergschafen hängt ihr Herz: Martin Bartl und seine Frau Evi mit Hund Janet vor ihrer Schafherde im Kreis Freising. © Bartl

Freising – Martin Bartl blickt mit Sorge nach Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Holland: Die Blauzungenkrankheit (BTV), die über bestimmte Mücken (Gnitzen) auf Wiederkäuer, vor allem Schafe und Rinder, übertragen wird, löst dort schlimmes Tierleid und erheblichen wirtschaftlichen Schaden bei Landwirten aus. Der Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Schafhalter aus Freising steht im engen Kontakt mit Bauern in den betroffenen Gebieten: „Da sterben zum Teil zwischen 30 bis 70 Prozent der Schafe einer Herde. Das macht natürlich Angst.“ BTV wirkt bei Schafen oft tödlich; Rinder erkranken heftig, können sich aber meist wieder erholen.

Bartl, der selber eine Herde von 150 schwarzen, brauen und weißen Bergschafen in Sünzhausen zur Landschaftspflege hält, hat seine Tiere bereits vor 14 Tagen geimpft. Es gibt drei Impfstoffe gegen die aktuelle Virusvariante 3. Sie sind zwar noch nicht offiziell zugelassen, aber per Notverordnung der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin am Friedrich-Löffler-Institut können sie verwendet werden. Das empfiehlt der Bayerische Bauernverband dringend für Schafe und Rinder. Und auch Bartl legt das den Schafzüchtern ans Herz. Bayern war als letztes Bundesland bis Mitte August frei von BTV, dann wurde die Seuche bei Schafen in der Nähe von Aschaffenburg entdeckt. Wie Corinna Bauer, Referentin für Tiergesundheit vom BBV, erklärt, erfolgt die Infektion nur über den Stich der Mücke. Die Wiederkäuer stecken sich nicht gegenseitig an. Die Impfung sei bislang der einzige Schutz.

Bartl ist sich sicher: „Die Seuche wird sich extrem schnell verbreiten.“ Bisher habe sich die Krankheit langsam bewegt. „Bei günstigen Bedingungen mit angenehmen Temperaturen breiten sie die Gnitzen mit dem Wind aus.“ Jetzt überspringe die Krankheit plötzlich mehrere hundert Kilometer in kürzester Zeit. „Wir vermuten, dass die Gnitzen aus Holland mit dem Ferienverkehr herkommen.“ Die Mücken belagerten Autos, weil es dort wärmer sei. Wenn jemand die Tür seines Wohnmobils öffne, seien gleich Hunderte Gnitzen im Fahrzeug. Auf der Ferienfahrt Richtung Süddeutschland könnten sie dann bei einem Stopp in Bayern ins Freie gelangen. Das Gleiche passiere beim Lkw-Verkehr.

Trotz aller Sorgen ist der 39-Jährige noch zuversichtlich. „Ich weiß, dass in Bayern als Vorsichtsmaßnahme in Unter- und Oberfranken seit Juni viele Betriebe gegen BTV/3 geimpft haben. Meine Hoffnung ist, dass durch diese Impfung das Ganze verlangsamt wird.“ Es sei aber eine freiwillige Maßnahme, daher würden nicht alle Schaf- und Rinderhalter impfen. Von der bayerischen Tierseuchenkasse gibt es einen Zuschuss von einem Euro pro Impfung – doch die Maßnahme kann je nach Größe der Herde pro Tier zwischen fünf und 15 Euro kosten. Die Schafhalter haben einen Antrag ans bayerische Umweltministerium auf einen weiteren Euro Zuschuss pro Impfung gestellt. Um eine dauerhafte Ausrottung der Krankheit zu erreichen, brauche man eine Impfdichte von etwa 80 Prozent.

Seine Schafe sind für Bartl, der sein erstes Schaf im Alter von fünf Jahren bekommen hat, weit mehr als ein Wirtschaftsgut. Es handelt sich um vom Aussterben bedrohte Rassen. „Von den schwarzen Bergschafen gibt es in Deutschland nur noch 150 Tiere, wir haben davon ungefähr die Hälfte.“ Wenn da etwas passieren würde, „wäre die jahrzehntelange Arbeit zum Erhalt zunichte“. Seine Schafe tragen Namen, er weiß, welches Schaf von welcher Mutter abstammt, welches mit der Flasche aufgezogen wurde. Die Vorstellung, dass 70 Prozent der Herde von einer Seuche dahingerafft würden, erschüttert ihn. In Niedersachsen brauchen betroffene Landwirte zum Teil psychologische Unterstützung, weil ihnen das Drama so zu Herzen geht. Hinzu kommen die finanziellen Schäden – so muss die Tierkörperbeseitigung aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Die Landwirte würden wegen der Seuche auch nicht entschädigt: „Der Tierhalter muss alles – von der Impfung über die Behandlung der Krankheit bis zur Beseitigung – selber tragen, egal bei welcher Tiergattung.“ Der Schafzüchter befürchtet, dass viele Halter wegen der aktuellen Seuche aufgeben könnten.

In zwei Wochen will Bartl seine Tiere sicherheitshalber ein zweites Mal impfen. „Wir in Bayern haben jetzt Zeit gehabt und können noch viel tun.“ Der erste Vorsitzende des Verbands, Joseph Grasegger aus Garmisch-Partenkirchen, sieht für seine 100 Schafe keine Gefahr: „Die sind in 2500 Meter Höhe auf der Alm, da gibt es keine Gnitzen.“

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