DER URLAUB MEINES LEBENS

Die Polizei als Ferien-Retter

von Redaktion

Die Fahrt ins Land ihrer Träume

Irmgard Wagner denkt noch gerne an damals zurück.

Als 15-Jährige in Lazise: Irmgard Wagner hat dieses Foto aus ihren Kisten gekramt und es für uns abfotografiert. © privat (2)

Riedering – Bevor Irmgard Wagner im Jahr 1960 zum allerersten Mal alleine verreisen darf, kommt es zu einem – na ja – Polizeieinsatz. Sie ist damals 15 Jahre alt, als eines von neun Kindern einer Flüchtlingsfamilie ist ein Urlaub eine unglaublich aufregende Sache, aber am Tag der Abreise weint und weint die Jugendliche. Um 22 Uhr soll es losgehen, als Mitglied des Jugendrotkreuzes in Rosenheim darf sie eigentlich mit einem Kleinbus voller Jugendlicher und zwei Betreuern über den Brenner nach Italien, das Land ihrer Träume. Aber: Sie hat keinen Pass, keinen Personalausweis. „Das hat man damals nie gebraucht“, sagt sie heute, 79 Jahre alt. Freilich war sie auf dem Amt, um ein Dokument zu beantragen, an den Grenzen wird damals noch streng kontrolliert. „Aber die Verwaltung hat das nicht rechtzeitig geschafft.“ Denkt sie damals zumindest. Denn um 18 Uhr klingelt ein Polizist an der Tür der Familie in der Rosenheimer Innenstadt. Er hat ihren Pass, die Verwaltung hatte ihn extra der Polizei vorbeigebracht. Irmgard Wagner kann es kaum glauben. Wenige Stunden später sitzt sie im Bus. Als sie den Gardasee zum ersten Mal sieht, ist sie so von der Landschaft fasziniert, dass sie ihr Glück kaum fassen kann.

Es beginnt eine wunderbare, wenn auch einfache Zeit in einer kleinen Bungalow-Anlage oberhalb von Lazise. „Die Leute sprachen nur Italienisch, wie schön, verstanden haben wir nichts, aber mit Händen und Füßen hat es schon geklappt“, erzählt die 79-Jährige, die heute in Riedering im Kreis Rosenheim lebt. Die Jugendgruppe besichtigt das Schlachtfeld von Solferino, wo der Kaufmann Henry Dunant so schreckliche Dinge mitansehen musste, dass er den Vorläufer des Roten Kreuzes gründete. Die Jugendlichen sind beeindruckt, „aber wir wollten auch endlich im Gardasee baden gehen“, erinnert sich Irmgard Wagner. Das machen sie dann auch, ohne Sonnencreme, dafür fehlt das Geld – und nach einigen Stunden hat das junge Mädchen einen satten Sonnenbrand. „Egal, es war alles so schön.“

Abends kochen die Betreuer Nudeln, Nudeln, Nudeln, ab und zu gibt es eine Kugel Eis – einen Restaurantbesuch kann sich keiner aus der Gruppe leisten. Aber der Höhepunkt ist eh der Ausflug nach Verona. „Ich war verzaubert“, sagt Irmgard Wagner. Die Leute am Markt sind so nett zu den jungen Rosenheimern in ihren Rot-Kreuz-Jacken, die Arena unglaublich beeindruckend. Als Andenken kauft sich Irmgard Wagner ihre erste eigene Ledertasche, dunkelbraun und ihr ganzer Stolz. „Ich war mir sicher, jeder, dem ich begegnet bin, schaut meine Tasche an.“ Sie kann sich noch so gut an das gute Stück erinnern, obwohl es bei einem ihrer Umzüge verloren gegangen ist. „Das ist jetzt 64 Jahre her und ich denke trotzdem gerne daran zurück.“ Und Italien, das ist keine Frage, ist immer noch ihr Traumland. Schon oft war sie seither dort, auch am Gardasee, in Lazise. Die Häuschen von damals hat sie nie wieder gefunden. Und auch zu den anderen aus der Reisegruppe hat sie keinen Kontakt mehr, leider. „Aber vielleicht liest den Artikel ja jemand, der damals dabei war.
CARINA ZIMNIOK

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