DAS PORTRÄT

Königsweg von der Rente zum Doktortitel

von Redaktion

Doktor phil. Bernd Lehmann aus Weilheim. © Andreas Jäger

Nach einem vollendeten Arbeitsleben nahm Bernd Lehmann aus Raisting noch mal Anlauf für einen weiteren Höhepunkt seiner Karriere: Der ehemalige Marineoffizier und NATO-Mitarbeiter studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München Geschichte und Politikwissenschaften, machte 2015 den Master und schloss sein Studium jetzt mit dem Doktortitel ab – mit 81 Jahren.

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“, sang Schlagersänger Udo Jürgens. So etwas dachte sich auch Bernd Lehmann, als er im Herbst 2009 mit seinem Studium für Geschichte und Politikwissenschaften an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität startete. „Ich habe mich in der Schule schon dafür interessiert und wollte außerdem wissen, wie das deutsche Uni-Leben ist“, sagt der 81-Jährige. Lehmann kannte bis dato nur die amerikanische Perspektive – in Übersee hatte der ehemalige Marineoffizier in den 70er-Jahren angewandte Mathematik für militärische Zwecke studiert. Nachdem er sein Studium mit einem Masterabschluss beendet hatte, kehrte Lehmann wieder zurück nach Deutschland. Dort arbeitete er dann bis 2008 bei der NATO. Aus familiären Gründen zog es den Rentner anschließend nach Raisting. Und während Gleichaltrige in dieser Lebensphase mit Golfspielen oder E-Bike-Fahren beginnen, entschied sich Lehmann für das Studium als Freizeitgestaltung. Zunächst hatte sich Lehmann als Senior-Student an der Uni eingeschrieben – was allerdings nur aus der Teilnahme an Vorlesungen bestanden hätte. „Aber ich wollte ja das akademische Leben kennenlernen“, betont der 81-Jährige. Also meldete er sich kurzerhand wieder für das Senior-Studium ab und für den Bachelor-Studiengang an. Um dafür aufgenommen zu werden, musste Lehmann sich zunächst in einem Eignungstest beweisen. Dort wurde geschaut, wie es denn um das geschichtliche Grundwissen der Studiumsbewerber so bestellt ist. „Unter den 500 Leuten dort war ich der Älteste“, erinnert er sich. Doch diese Tatsache änderte nichts daran, dass Lehmann den Test mit Bravour bestand und sich kurz darauf Student nennen durfte. Die meisten seiner Kommilitonen waren zwischen 19 und 22 Jahre alt. Ausgemacht hat ihm das aber nichts. Denn wer sich ständig mit jungen Leuten umgibt, bleibt in gewisser Weise auch selbst jung. Bei den meisten Mitstudenten habe er ihm gegenüber eine „positive Aufgeschlossenheit“ bemerkt, erzählt er. „Ich fühlte mich als Kommilitone – und ich war immer der Bernd, nie der Herr Lehmann.“ Die Kontakte, die er in dieser Zeit geknüpft hat, pflegt der 81-Jährige heute noch. 2012 schrieb Lehmann seine Bachelorarbeit, 2015 schloss er sein Studium mit einer Masterarbeit über König Ludwig XIV. und die französische Marine ab. Auf der Feier kam ein Professor auf ihn zu. „Wollen Sie nicht eine Dissertation bei mir schreiben?“, fragte er. Lehmann war skeptisch und bat um ein wenig Bedenkzeit. „Nach dem zweiten Glas Sekt hab ich dann aber Ja gesagt.“ Bei seiner Recherche für ein Thema stieß er auf das sogenannte Prisenrecht: die offizielle Erlaubnis für Kapitäne, feindliche Schiffe anzugreifen und einzunehmen. Darauf spezialisierte er sich in seiner Doktorarbeit, im November 2022 verteidigte er sie erfolgreich vor einem Uni-Gremium. In der großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität durfte er vor Kurzem seine Promotionsurkunde in Empfang nehmen – und darf sich seither Dr. phil. Bernd Lehmann nennen.
ANDREAS JÄGER

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