Christina Nußstein hat ein Herz für Fledermäuse. © Ralf Poeplau
Tierärztin Christina Nußstein ist Fledermausbeauftragte des Landkreises Miesbach. Als promovierte Veterinärin behandelt sie hauptberuflich Rinder. In ihrem Ehrenamt fungiert sie unter anderem als PR-Managerin des Säugetieres und zog sogar schon Fledermausbabys auf.
Niedlich, nützlich, mythenumrankt: Fledermäuse sind mit 26 Arten in Deutschland vertreten, allein im Kreis Miesbach leben zwölf Arten, darunter die Zwerg- und die Bartfledermaus sowie die Wimpern-Fledermaus. Doch Nußstein pflegt nicht nur das Image des streng geschützten Säugetiers. Sie ist auch Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um den Fledermausschutz. Die Miesbacher rufen sie an, wenn ein Jungtier aus dem Nest gefallen ist. Oder wenn sie Fragen haben zu fledermausgerechten Umbauten oder Sanierungen ihrer Häuser.
Eine befreundete Biologin brachte sie auf die Idee zum Ehrenamt: „Sie hat mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte“, sagt die 49-Jährige. „Das Amt passt zu meiner inneren Uhr. Ich bin eher ein Abend- und Nachtmensch.“ Nachts gibt es für die Säugetiere weniger Fressfeinde, deshalb sind sie nach Sonnenuntergang besonders aktiv. „Aber die Jungen saugen tagsüber an der Mutter. Wer ein Fledermausquartier am Haus hat, kann auch tagsüber ihre Soziallaute hören.“ Die bei uns heimischen Fledermäuse saugen übrigens kein Blut, sondern fressen ausschließlich Insekten, 30 000 Mücken pro Nacht können es schon werden. „Nicht zuletzt deshalb sind sie so wertvoll“, sagt Nußstein.
Als Tierärztin und Tierschützerin zieht sie auch Fledermausbabys groß. Das kommt vor, wenn sie aus ihrem Quartier gefallen sind. „Die Einzeltierpflege ist im Artenschutz durchaus umstritten“, gibt die Veterinärin zu. „Aber wir wissen durch die Babys, wo die Quartiere sind, die man dann wieder schützen kann.“ Im Sommer 2022 fielen viele Babys aus ihren Quartieren, weil die Muttertiere wegen einer Wärmeperiode im Winter zu früh trächtig geworden waren. „Erst wollte ich nicht, denn man muss die Jungtiere tagsüber alle zwei bis drei Stunden füttern, nachts alle drei Stunden.“ Eine Altenpflegerin, die schon seit Jahrzehnten Fledermaus-Babys großzieht, hat Nußstein dann überzeugt. Die Pflegerin nahm die Baby-Fledermäuse auf einem Wärmestein auf dem Beifahrersitz während ihrer ambulanten Pflegetour mit. „Das mache ich jetzt auch, wenn ich zu den Rindern fahre.“
Das dient natürlich auch der Öffentlichkeitsarbeit: Die Landwirte, die sie besucht, interessieren sich sehr für die Fledermaus-Babys. Mitte Juli nimmt Nußstein Urlaub, damit sie die Babys in Ruhe großziehen kann. Außerdem muss sie tagsüber den Schlafmangel ausgleichen. Eine Fledermaus, die sie vor zwei Jahren aufgezogen hat, kehrt regelmäßig zu ihr zurück, wenn Nußstein abends ihre Katzen ruft. Wahrscheinlich erkennt sie die Stimme ihrer Retterin wieder. „Das ist einer der Momente, die den Schlafmangel wieder wettmachen“, lacht die Tierärztin. Man merkt sofort, für Nußstein ist das Ehrenamt nicht nur ein Job, sondern echte Berufung. An ihrem Privatauto heftet ein Aufkleber mit der Aufschrift „I love…“ – und einem Fledermaussymbol.
BETTINA STUHLWEISSENBURG