Hat Verständnis für Matthäus: Stefan Pfeifer, Abteilungsleiter Fußball beim TSV Grafing. © privat
Grünwald – Ein Lothar Matthäus lässt sich von niemandem was sagen – schon gar nicht von Grünwalder Eltern. Er hat sein Amt als Trainer beim TSV Grünwald aufgegeben. Als Weltmeister und Weltfußballer 1990 war Matthäus ein Ausnahmespieler. Als Amateurtrainer war er dagegen keine Ausnahme – da ging es ihm wie vielen seiner Kollegen. „Ich kann Herrn Matthäus absolut verstehen“, sagt der Jugendleiter der FT Gern aus München, Klaus Weber (53) zu Matthäus‘ Entscheidung. Auch in seinem Verein mischten sich zu viele Eltern ein. Und vergraulten so die Übungsleiter.
Weber: „Viele Eltern schätzen ihre Kinder völlig falsch ein. Und vertrauen dem Trainer nicht. Solange die Kinder spielen und gewinnen, ist alles ok. Aber wenn die mal auf der Bank sitzen, und öfters mal verlieren, kommt Kritik auf. Dann greifen sie ein. Nicht allein, sondern auch in Rudeln, man verbündet sich gegen den Trainer – mit dem Ziel: Der muss weg.“
Das ewige Gemäkel – für Weber Ausdruck einer negativen gesellschaftlichen Tendenz: „Ich habe das Gefühl: Viele wollen ihr Kind vor Niederlagen oder negativen Erfahrungen schützen. Das sind die einen. Die anderen sind die Väter, die fußballerisch nicht die Ziele erreicht haben, die sie sich mal gestellt hatten. Und das auf ihre Kinder projizieren. Die können mit dem Druck natürlich nicht umgehen.“
Stefan Pfeifer (57), Abteilungsleiter Fußball vom TSV Grafing im Kreis Ebersberg, kann seinem Münchner Kollegen da nur zustimmen: „Ich kann Herrn Matthäus gut verstehen, dass er hinschmeißt. Man braucht als Trainer ein dickes Fell.“ Tendenziell gebe es immer mehr Eltern, „die den Verein nur als ,Abgabeort‘ für ihre Kinder ansehen – und ein Vollprogramm erwarten“, so Pfeifer. „Das sind dann meistens auch die, die Forderungen an den Trainer oder den Verein stellen. Das höre ich auch aus all den anderen Vereinen in der Region. Egal, mit wem ich rede: Es ist überall das Gleiche.“
Eltern, die Foul spielen. Das macht Stefan Pfeifer, selbst zwölf Jahre lang Jugendtrainer, wütend: „Die Trainer investieren rund 300 Stunden im Jahr nur für Training und Spielbetrieb – im Ehrenamt, in ihrer Freizeit, für lau. Da haben Eltern meiner Meinung nach kein Mitspracherecht, was die Aufstellung der Mannschaft oder den Trainingsbetrieb betrifft.“
Das Schlimmste: Solche Eltern vergraulten auf Dauer viele Freiwillige, warnt Klaus Weber. Dabei sind die eh schon rar gesät: „Die Trainer stehen nicht Schlange! Immer weniger wollen das machen. Ich kann auch keine Jugendspieler als Trainer einsetzen – denn ich kann einen 17-Jährigen nicht so einer Elternschaft gegenüberstellen, der geht da unter.“
Aggro-Eltern sind auch für den Bayerischen Fußballverband (BFV) ein Problem, so Sprecher Fabian Frühwirth: „Das Thema Eltern am Spielfeldrand ist immer wieder ein Problem und ist für die Trainer eine Herausforderung. Da gibt es bei vielen die Gewissheit: Mein Kind ist das Beste, muss immer spielen und ist der Profi von morgen.“ Der Verband startete deshalb die Kampagne „Bleibt‘s entspannt am Spielfeldrand“ – mit Durchsagen in Stadien von mehr als 700 Vereinen, dazu flächendeckend Plakathinweise. Der Appell: „Wir spielen, ihr schaut zu.“
Trotz der Eltern: Laut BFV wollen immer noch viele Menschen Kinder trainieren. „Gerade im jüngsten Bereich gibt es mehr Trainer als früher“, sagt Frühwirth. „In den vergangenen vier Jahren wurden nahezu 4000 Kindertrainer lizenziert ausgebildet. Da geht es weniger um die Taktik und die Aufstellung, sondern um die Fragen: Wie baue ich ein Training auf, wie spreche ich mit den Kindern – aber auch: Wie spreche ich mit den Eltern.“
THOMAS GAUTIER